Düsseldorf. In NRW wurden 2018 weniger Tiere bei Versuchen getötet als in vielen Jahren zuvor. Grüne, SPD und Tierschützer fordern trotzdem mehr Engagement.

Es war die frühere NRW--Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD), die 2015 das Ziel verkündete: „Langfristig sollen Tierversuche möglichst vollständig ersetzt werden.“ Schulze hat längst als Bundesministerin für Umwelt Karriere in Berlin gemacht. Ihrem einst verkündeten Ziel ist NRW aber etwas näher gekommen: Rund 395.000 Tiere wurden 2018 laut jüngsten Zahlen aus Schulzes heutigem Ministerium bei Tierversuchen eingesetzt. Es ist der niedrigste Stand seit mindestens acht Jahren.

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Die Freude bei Tierschützern ist dennoch verhalten – denn bundesweit ist die Zahl der Versuche um rund 16.000 Tiere auf knapp 2,83 Millionen Nager, Hunde und Fische gestiegen. „Ein alarmierendes Zeichen für den Forschungsstandort Deutschland“, nennt das Julia Radzwill vom Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ und hat Zweifel, ob zumindest NRW vor einem Abwärtstrend steht. „Es gab immer starke Schwankungen.“ 2010 wurden etwa 440.000 Versuchstiere in NRW gezählt, 2013 dann knapp 580.000 und 2014 wieder nur 400.000. “ Das kann mit verschiedenen Entwicklungen zusammenhängen – die Schließung eines Labors, eine unbesetzte Professur oder weniger Forschungsprojekte“, sagt Radzwill.

Tierversuchsfreie Forschung: SPD und Grüne fordern mehr Einsatz vom Land

Besonders was die Versuche mit Primaten (2018: 1822 , 2017: 1922) angeht, ist der Kölner Verein skeptisch, dass sich der Abwärtstrend fortsetzt: Der US-Auftragsforscher Covance, der aufgrund seiner Spezialisierung auf Giftigkeitsprüfungen mit Javaneraffen von Tierschützern als „größter Affenverbraucher Deutschlands“ bezeichnet wird, will 2020 in Münster weitere Tierställe bauen. „Ärzte gegen Tierversuche“ geht mit einer Petition gegen die Pläne vor und rechnet mit 300 bis 400 zusätzlich getöteten Affen.

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Das Land betont zwar, man habe bei Covance keine Handlungsbefugnisse. Norwich Rüße, Tierschutzbeauftragter der Grünen-Fraktion, fordert dennoch eine klarere Stellung vom Land: „Ein Appell, Tierversuche dort zu unterbinden, wo es möglich ist, wäre das Mindeste“, sage Rüße der WAZ. Auch André Stinka, umweltpolitischer Sprecher der SPD, forderte in der „Rheinischen Post“, mehr Engagement vom Land. „Tierversuche zu verringern und alternative Methoden voranzutreiben, ist das Gebot der Stunde.“

300.000 Euro jährlich für Forschungsprojekt

In der Beantwortung auf eine kleine Anfrage von Rüße zu Tierversuchen verweist das Land auf seine Förderung des „Centrum für Ersatzmethoden zum Tierversuch“ (CERST) in Düsseldorf. Die Unterstützung des CERST brachte die rot-grüne Landesregierung 2016 auf den Weg, von Schwarz-Gelb wurde sie um die Hälfte erhöht. 300.000 Euro fließen pro Jahr an das Zentrum, wo Stammzellen aus menschlicher Haut zur Überprüfung von Chemikalien verwendet werden.

Welche Tiere eingesetzt werden

Am häufigsten werden Mäuse für Tierversuche verwendet: Allein rund 320.000 Mäuse wurden 2018 in NRW eingesetzt. Ebenfalls häufig ist der Einsatz von Ratten (47.000), Zebrabärblingen (11.500) und anderen Fischen (6.200). Die meisten Tiere werden für die Grundlagenforschung getötet.

„Dieses Institut ist in der Tat der richtige Hebel, aber man sollte die Förderung verdoppeln, um einen Durchbruch zu erzielen“, sagte Norbert Rüße. So sei es machbar, die Anzahl der Versuche in zehn Jahren mindestens zu halbieren. Das Land will sich erst einmal nicht auf eine Aufstockung festlegen – dennoch spricht NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) im selben Ton wie ihre Amtskollegin im Bund: „Ziel muss sein, Tierversuche überflüssig zu machen. Aber so weit ist die Forschung leider noch nicht.“

Tierschützer: Mehr Kontrollen nötig

„Ärzte gegen Tierversuche“ glaubt, dass vielmehr möglich ist, als vorgegeben wird – und zeigt nach Berlin. Dort arbeiten Charité und TU Berlin im Campus „Der Simulierte Mensch“ zusammen, um Arzneien an menschlichem Gewebe zu testen. „An solchen ambitionierten Projekten sollte sich NRW orientieren, wenn man tatsächlich einen Trend zu weniger Tierversuchen anstoßen möchte“, sagt Julia Radzwill. „Außerdem müssen Labore häufiger unangekündigt kontrolliert werden.“

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Das umstrittene Covance-Labor in Münster wurde zwischen 2009 und 2018 insgesamt 183 Mal kontrolliert. Ob das ausreicht, um Misshandlungen von Tieren zu verhindern, wie sie dort 2003 von Aktivisten versteckt gefilmt worden sind? Schwer einzuschätzen sei das, sagt der Grüne Norwich Rüße. „Aber dass sich das Land mit Blick auf Covance so passiv verhält, ist ein Armutszeugnis.“