Essen. Erst war es nur eine Vision. Doch jetzt wirbt NRW vehement für Olympia 2032 an Rhein und Ruhr. Wie aus einer Idee ein handfester Plan wurde.
Zunächst war es nur eine Vision, die manche immer noch für reichlich blühende Fantasie halten. Doch dass aus Träumen Titelgewinne werden, kommt ja gerade im Sport immer wieder vor. Seit über drei Jahren ist das Thema nun in der Welt – und hält sich dort hartnäckig: Olympische Sommerspiele, 2032 ausgetragen weit im Westen der Republik. Eine Gruppe von 14 nordrhein-westfälischen Städten im NRW-Kernland soll die Spiele als Region ausrichten. 60 Jahre nach den legendären Spielen von München ‘72 könnte das Olympische Feuer somit erstmals wieder in Deutschland leuchten, angefacht vom größten Ballungsgebiet des Landes.
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Längst schon hat das Kind einen Namen: „Rhein Ruhr City 2032“. Dahinter steckt ein konkreter Plan – und ein kundiger Kopf. Mit der Disziplin eines Marathonläufers treibt Sportmanager Michael Mronz akribisch seine Idee voran, die Sommerspiele und Paralympics in die dichte Stadtlandschaft an Rhein und Ruhr zu lotsen. Mronz hat die Rückendeckung der kompletten NRW-Landesregierung und weiß schon eine ansehnliche Zahl zahlungskräftiger Sponsoren hinter sich, darunter den Spezialchemiekonzern Evonik, die RAG-Stiftung, die Messe Essen, die Deutsche Post und den Rheinischen Sparkassen- und Giroverband. Ist „Rhein Ruhr City“ wirklich noch Vision oder doch schon handfeste Strategie?
Rudern in Duisburg, Schwimmen auf Schalke:Das Ruhrgebiet stellt die Hälfte der Standorte
Mit Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Oberhausen und Recklinghausen stellt das Ruhrgebiet genau die Hälfte der geplanten Ausrichterstädte. Die anderen Olympia-Kandidaten liegen allesamt im Rheinischen: Krefeld, Mönchengladbach, Leverkusen, Bonn und die Reiterstadt Aachen sind dabei. Düsseldorf als Landeshauptstadt und Köln als einzige Millionenmetropole des Landes fehlen selbstredend ebenfalls nicht.
Schwimmen auf Schalke, Rudern in Duisburg, Volleyball in der Oberhausener KöPi-Arena und die Abschlussfeier im größten Stadion der Region, dem Dortmunder Signal-Iduna-Park: Insgesamt könne die „Rhein-Ruhr-City“ 24 Großsportanlagen, fünf Stadien mit einer Kapazität von jeweils mehr als 45.000 Zuschauern, 115.000 Hotelbetten und Messeflächen von insgesamt 700.000 Quadratmetern aufbieten, listet Michael Mronz auf. Damit, das betont der Sportmanager immer wieder, liegt „Rhein Ruhr City“ schon jetzt weit über der Kapazität der letzten Sommerspiele in Rio. Keine andere Region in Deutschland und in Europa habe diesen Standortvorteil, betont Mronz. Alle Sportstätten seien schon heute in Benutzung und würden von ihren Trägern oder Vereinen in der Regel laufend modernisiert. Mit rund 63 Kilometern sei der um alle Olympiastätten in NRW gezogene Radius zudem nicht größer als in Los Angeles, das die Spiele 2028 ausrichtet.
Gefragt ist eine intelligente Strategie
Doch dem Sportmanager, dem schon deshalb ein guter Ruf in der Branchen vorauseilt, weil er seit Jahren erfolgreich das weltgrößte Reitturnier CHIO in Aachen vermarktet, geht es gerade nicht um Gigantomanie. Wer nach fünf gescheiterten deutschen Olympia-Bewerbungen in Folge und einem denkbar schlechten Ruf der durchkommerzialisierten olympischen Welt die Spiele ausgerechnet in den zersplitterten und international wenig bekannten Ballungsraum Rhein-Ruhr holen will, braucht eine intelligente Strategie.
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Immer wieder hebt Mronz die Nachhaltigkeit von NRW-Spielen hervor. „90 Prozent aller Sportstätten, die wir brauchen, sind bereits vorhanden“, sagt der 52-Jährige. Schon heute sei es möglich, in den 14 Teilnehmerstädten Sportveranstaltungen für über 640.000 Zuschauer gleichzeitig zu veranstalten. Die Spiele wären zudem ein dauerhafter Gewinn für die gesamte Region und ihre Menschen. „Alle Aktivitäten entwickeln wir nicht für Olympia, sondern durch Olympia“, lautet sein Credo.
Die Olympia-Idee sieht Mronz als Motor für das Zusammenwachsen der Städte an Rhein und Ruhr und zwar nicht nur auf sportlichem Gebiet, sondern zugleich bei Mobilität und Digitalisierung. Auch auf diesen Zukunftsfeldern könnte eine Olympiabewerbung enorme Schubkraft für die Region entfalten, sind Mronz und seine Mitstreiter überzeugt. „Dieses neue Wir-Gefühl der 14 beteiligten Städte müssen wir nutzen, um Olympia in die modernste Region Europas zu bringen“, sagte Mronz.
IOC erlaubt inzwischen Bewerbungen ganzer Regionen
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Morgenluft wittern die Olympia-Planer auch international. Im Frühsommer hatte die IOC-Vollversammlung in Lausanne entschieden, Olympia-Bewerbungen von Städte-Verbünden und einzelnen Regionen zuzulassen. Damit ist für eine mögliche Kandidatur der Rhein-Ruhr-Region sportpolitisch eine hohe Hürde aus dem Feld geräumt. Bisher konnten sich ausschließlich einzelne Städte für die Austragung der Spiele bewerben. Das „Wir-Gefühl“ sei ausschlaggebend für die „Rhein-Ruhr-City“-Bewerbung, betont Mronz. „Das ist unsere große Chance.“
Doch will NRW die Spiele überhaupt? Ist Olympia in Zeiten von Doping-Skandalen und hemmungsloser Sport-Kommerzialisierung noch gesellschaftsfähig? Natürlich gibt es Zweifel. Kritiker bemängeln, eine vorhandene Sportinfrastruktur sei noch lange kein Bewerbungskonzept. Und: Schon jetzt ist der Investitionsstau in vielen Sportanlagen des Landes immens.
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Die große Unbekannte aber ist der Bürgerwille. Die letzten deutschen Olympia-Hoffnungen in Hamburg und München zerschellten kleinlaut am Widerstand der Bevölkerung. Droht ein solches Szenario in NRW nicht auch? Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Michael Mronz haben bislang immer betont, ein Ja der Bevölkerung sei Voraussetzung für eine Bewerbung. Den geeigneten Zeitpunkt für eine Bürgerbefragung sieht Mronz gekommen, wenn alle Details inklusive eines transparenten und seriösen Finanzierungskonzeptes vorliegen.
Mitnehmen wollen die Olympia-Macher die Menschen der Region aber von Beginn an. Ziel müsse „eine Bewerbung aus der Mitte der Gesellschaft heraus“ sein. Immerhin: Eine repräsentative Emnid Umfrage im Auftrag dieser Zeitung filterte vor zwei Jahren eine positive Stimmung im Ruhrgebiet heraus: Mehr als zwei Drittel der Befragten begrüßten, wenn das größte Sportereignis der Welt in die Region kommen würde. Bei den 18- bis 29-Jährigen befürworteten sogar drei Viertel die Spiele.