Düsseldorf. Kurz vor dem Ende der Bewerbungsfrist für den SPD-Vorsitz stürmt Norbert Walter-Borjans nach vorn. Bei der Basis ist er sehr beliebt.
Ex-NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (66) will sich um den SPD-Bundesvorsitz bewerben und hofft dabei auf die Unterstützung des größten SPD-Landesverbandes. Viele Menschen, die der SPD nahe stehen, hätten ihn um diese Kandidatur gebeten, sagte der Kölner. Der Politiker wurde bundesweit durch den Ankauf von CDs mit den Namen von Steuersündern bekannt. Seine Jagd auf Steuerbetrüger führte zu tausenden Selbstanzeigen.
Norbert Walter-Borjans, genannt „Nowabo“, setzt sich für eine Steuerpolitik ein, bei der Gutverdiener konsequent zur Kasse gebeten werden.Zusammen mit ihm bewirbt sich die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken (58) aus Baden-Württemberg für die Führung der SPD. Als „Tandem auf Augenhöhe“ ergänze sich dieses Team ideal, twitterte Esken am Mittwoch. „Gemeinsam stehen wir für klare sozialdemokratische Botschaften und Haltungen ohne Schnörkel.“ Esken wirbt für ein Ende der Groko im Bund und eine Abkehr von Hartz IV.
NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann wollte die Bewerbung des Ex-Ministers gestern nicht bewerten. Dies sei die Aufgabe der Basis. Am Freitagabend will der SPD-Landesvorstand entscheiden, ob er ein oder mehrere Bewerberpaare unterstützt. „Wenn der Vorstand meint, ich wäre der richtige Kopf, dann sage ich nicht Nein zur Kandidatur“, sagte Walter-Borjans dieser Redaktion. Für den SPD-Bundesvorsitz kandidieren zwei weitere Politiker aus NRW: Ex-Familienministerin Christina Kampmann (Bielefeld) und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (Köln), zusammen mit Tandem-Partnern aus anderen Bundesländern.
Die Kandidaten Kampmann und Lauterbach ärgern sich
Kampmann und Lauterbach zeigten sich am Mittwoch irritiert, als sie kurzfristig eine Einladung des NRW-Parteivorstandes dazu erhielten, ihre Pläne und Ideen für die Partei am Freitag vorzustellen. „Seit Wochen ist klar, dass wir uns für den Parteivorsitz bewerben. Und erst jetzt, weil Norbert Walter-Borjans sich auch bewirbt, lädt man uns ein. Wir hätten uns gefreut, wenn man uns früher die Gelegenheit dazu gegeben hätte“, sagte Kampmann dieser Redaktion.
Kurz vor dem Ende der Bewerbungsfrist für den SPD-Vorsitz tritt also überraschend ein Akteur aus NRW auf die Bühne, der für alle anderen Bewerber zum Problem werden könnte, inklusive Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Denn Norbert Walter-Borjans ist ein politisches Schwergewicht. Der Kölner genießt nicht nur Sympathien an der SPD-Basis, sondern auch in der Bevölkerung. Das liegt an seinem von ihm selbst intensiv gepflegten Ruf, der „Robin Hood der Steuerzahler“ zu sein.
Als „Nowabo“, wie er genannt wird, NRW-Finanzminister war, feierten Steuerfahnder dieses Landes beachtliche Erfolge bei der Jagd nach Steuersündern. Der Ankauf von „Steuer-CDs“ führte zur Enttarnung zigtausender Finanzbetrüger. Auch der mächtige Bayern-Boss und Steuerhinterzieher Uli Hoeneß knickte vor diesem Druck ein. Die Entscheidung, ins Rennen um den Bundesvorsitz der SPD einzusteigen, sei in den vergangenen zwei Wochen gereift, sagte Walter-Borjans dieser Redaktion. „Ich habe von vielen Mitgliedern, auch im SPD-Landesvorstand, gehört, das meine Kandidatur der SPD gut täte. Und wenn der Vorstand am Freitag in Dortmund sagt, ich wäre der richtige Kopf, dann sage ich nicht Nein“, erzählt der Ex-Minister, der seit Monaten vor großem und kleinem Publikum in ganz Deutschland aus seinem Buch „Der große Bluff“ vorliest, in dem er die „Seuche des Steuerbetrugs“ anprangert.
Tandem-Partnerin Saskia Esken ist gegen die Groko und gegen Hartz IV
Eher schwach als „Schuldenminister“, der schon mal den Überblick über einen komplexen Haushalt verliert, in NRW gestartet, entwickelte sich „Nowabo“ zu einem der profiliertesten Mitglieder der NRW-Landesregierung und fand in der Steuergerechtigkeit ein Lebensthema. Walter-Borjans’ Tandempartnerin bei der Bewerbung um die SPD-Spitze, Saskia Esken (58), gehört eindeutig zum linken Lager in der SPD. Die Bundestagsabgeordnete aus Baden-Württemberg rechnete gestern, an ihrem Geburtstag, per Twitter mit der Groko ab: „Der ewige Kompromiss nimmt uns alle Luft zum Atmen.“
Laut Walter-Borjans ging die Initiative, dieses Bewerber-Tandem zu bilden, von Esken aus. Er ließ durchblicken, dass er genau wie Esken nichts von der Fortsetzung des Bündnisses mit der Union hält. Als „Parteilinker“ will der Kölner aber nicht in Erscheinung treten. Hinter seinem Thema Steuergerechtigkeit könnten sich alle in der SPD versammeln. Die konservativen „Seeheimer“ ebenso wie die Parlamentarische Linke in der SPD-Bundestagsfraktion.
Die Spitzen der NRW-SPD wollten die angekündigte Bewerbung des Ex-Landesministers am Mittwoch nicht bewerten. SPD-Landesvorsitzender Sebastian Hartmann kündigte eine Stellungnahme des Landesvorstandes am Freitag zu allen Bewerbern aus NRW an. Es gilt aber als ausgeschlossen, dass die Landes-SPD dem beliebten Walter-Borjans den Rückhalt verweigert. Danach, so Hartmann, schlage ohnehin die „Stunde der Basis“. Die Mitglieder sollen am Ende über die neuen SPD-Chefs abstimmen.
Lob von Juso-Chef Kevin Kühnert
„Vorerst kein Kommentar“ hieß es auch von jenen SPD-Rebellen, die sich gegen einen harten Linksschwenk der SPD wehren. „Es geht nicht um Namen, sondern um Inhalte“, sagte Tim Kähler, Sprecher der Initiative „SPDpur2030“ und Bürgermeister von Herford. Auch vom früheren SPD-Landeschef Michael Groschek, von SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty und von Juso-Landeschefin Jessica Rosenthal war zur Personalie Walter-Borjans nichts zu hören.
Michael Groß, der Sprecher der SPD-Bundestagsabgeordneten aus dem Ruhrgebiet, nannte „Nowabo“ einen „interessanten und geeigneten Kandidaten“. Der Kölner habe bewiesen dass er regieren könne. Er traue ihm zu, die Stärken der Partei wieder herauszuheben.
Juso-Bundesvorsitzender Kevin Kühnert sagte dem Portal „Spiegel online“: „Norbert Walter-Borjans kommt meinen persönlichen Wünschen an Inhalt und Form sehr nah. Er hat als Finanzminister in NRW mit dem Ankauf von Steuer-CDs begonnen, sich dabei mit unangenehmen Leuten angelegt und so bewiesen, dass er für echte Verteilungsgerechtigkeit steht.“
Die SPD hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, findet Walter-Borjans
Auch der frühere SPD-Innenminister Ralf Jäger lobte den einstigen Kabinettskollegen: „Ich schätze Nowabo als einem Menschen mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, der verlässlich und uneitel jedes Amt, das er hatte, ausgefüllt hat.“
Der so Gelobte ist zuversichtlich, dass ihn der SPD-Landesvorstand am Freitag als Kandidaten zulässt. „Die Signale sind gut“, sagte er. Erst danach werde er über die großen Baustellen in der Partei sprechen, zum Beispiel über diese: „Etwa 30 Prozent der Menschen fühlen sich der SPD nahe, aber nicht einmal die Hälfte von ihnen nimmt der SPD ab, dass sie noch zu ihren Werten Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität steht.“ In einem Beitrag für den „Blog der Republik“ hatte „Nowabo“ Anfang August angedeutet, wohin die Reise der SPD mit ihm gehen könnte.
Norbert Walter-Borjans, geboren 1952, war Staatssekretär und Regierungssprecher in NRW und im Saarland, Wirtschaftsdezernent und Stadtkämmerer in Köln und von 2010 bis 2017 NRW-Finanzminister.