Bonn. Am Freitag trafen sich die Spitzen der NRW- und der Hessen-SPD, weil sie ein altes Thema neu für sich entdeckt haben: Reiche höher besteuern

Bonn. Die SPD in NRW und Hessen dringen darauf, Wohlhabende deutlich höher zu besteuern und Geringverdienern zu helfen. „Wir wollen eine spürbare Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen bei gleichzeitiger Anhebung des Durchschnittssteuersatzes für die zehn Prozent der höchsten Einkommen“, heißt es in einem gemeinsamen Papier der Landesverbände, das am Freitag in Bonn vorgestellt wurde.

Der Ruf nach „Steuersenkung“ ist populär und wird angesichts der hohen Einnahmen des Staates immer lauter. Doch während zum Beispiel FDP-Chef Christian Lindner gern für weniger Steuern trommelt, halten die Sozialdemokraten Steuern nicht für Teufelswerk. Im Gegenteil. Sie entdecken dieses alte und sensible Thema gerade neu und wollen betont offensiv damit in kommende Wahlkämpfe ziehen. Antreiber dabei ist – wie schon bei der Abkehr von den Hartz-Reformen – die NRW-SPD.

"Kampf gegen den Steuerbetrug"

„Die SPD tut gut daran, ihre Erfolge im Kampf gegen den Steuerbetrug deutlicher herauszustellen und für eine Entlastung der kleinen und wirklich mittleren Einkommen einzutreten, die ihnen nicht am Ende wieder aus der anderen Tasche herausgezogen wird“, sagte der frühere NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans dieser Redaktion.

Der Ex-Minister, „Nowabo“ genannt, hat sich während seiner Amtszeit einen Ruf als Steuersünder-Jäger erarbeitet. Und jetzt pflanzt er als beratendes Mitglied im Landesvorstand der SPD das Thema Steuergerechtigkeit tief in die Köpfe seiner Genossen. Wer Gering- und Normalverdiener entlasten will, der müsse „Top-Verdiener und Top-Vermögende“ eben stärker als bisher zur Kasse bitten. Eigentlich ein Klassiker für Sozialdemokraten. Aber die kriselnde Partei, die seit Jahren mit dem „Agenda“-Erbe aus der Schröder-Zeit hadert, muss sich den Mut, für die Grundüberzeugungen einzustehen, erst wieder mühsam aneignen.

NRW und Hessen setzten Bundes-SPD unter Druck


„Nowabo“ war am Freitag einer der Weichensteller bei einem Treffen der SPD-Spitzen aus NRW und Hessen in Bonn. Die 20-köpfige Gruppe einigten sich auf einen gemeinsamen Kurs bei Steuern und Finanzen und sendeten damit auch Signale an die Bundesführung der SPD. Dass die NRW-SPD die Hessen an ihre Seite holt, ist strategischen Überlegungen geschuldet. Der Chef der Hessen-SPD, Thorsten Schäfer-Gümbel, will zwar auf alle politischen Ämter verzichten, ist als stellvertretender Vorsitzender der Bundes-SPD aber noch bis zum nächsten Bundesparteitag für Steuern und Finanzen zuständig. Im eleganten und futuristischen Kameha Grand-Hotel am Rhein schworen sich die Delegationen darauf ein, zukünftig den Reichen mehr Geld aus der Kasse zu nehmen und Steuertricksern das Handwerk zu legen. Am Tisch saßen auch die SPD Generalsekretärinnen Nadja Lüders (NRW) und Nancy Faeser, die Favoritin für die Nachfolge von Schäfer-Gümbel in Hessen.

"Tricks der Superreichen sind ein Hohn für Arbeitnehmer"

„Die Tricks, mit denen sich mancher Großkonzern und Superreiche vor der Steuer drücken, sind ein Hohn für Arbeitnehmer und Gewerbetreibende, die ihren Beitrag Monat für Monat entrichten“, sagte Norbert Walter-Borjans. Auch der Chef der NRW-SPD, Sebastian Hartmann, kündigte „Druck bei Steuern und Finanzen“ an. Es sei „unwürdig“, wenn Schulen und Brücken bröckelten und Landesteile von Mobilfunk und Internet abgeschnitten seien. Dagegen könne nur ein starker Staat etwas unternehmen. Ohne solide Steuer-Einnahmen funktioniere das aber nicht.


Die beiden Landesverbände einigten sich auf ein gemeinsames Papier „für einen starken solidarischen Staat“, in das auch Selbstkritik passte: Die „Marktgläubigkeit der letzten zwei Jahrzehnte“ habe leider auch die SPD ergriffen. Hier Auszüge:

"5 Prozent besitzen so viel wie die übrigen 95 Prozent"

- „Der Staat nimmt von den Vielen zu viel und von den Wenigen zu wenig an Steuern ein. Ein Land, in dem … 5 Prozent so viel besitzen wie die übrigen 95 Prozent, gefährdet auf Dauer das Zusammenleben aller.“

- Die SPD will „Aufarbeitung von Versäumnissen bei der Bekämpfung von Steuerflucht, zum Beispiel Cum-Ex-Geschäfte.“

- Auch künftig soll „auf Steuer-CDs und andere Insiderinformationen“ zurückgegriffen werden.

- „Die Vermögensteuer soll wieder aktiviert werden, mit einem hohen Freibetrag und einem wirksamen Steuersatz.“

- „Bei der Erbschaftssteuer sollen alle Vermögen gleich (keine Privilegierung bei Unternehmenserbschaften) behandelt werden. Hohe Freibeträge sorgen dafür, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen auch künftig nicht von der Erbschaftssteuer betroffen sein wird.“ Der Freibetrag soll bei 500.000 Euro bei hinterbliebenen Partnern und bei 400.000 Euro bei Kindern pro Elternteil liegen.