Viele Städte haben Fördermittel für Schulsanierungen nicht abgerufen. Es liegt nicht allein an einer Baubranche mit zu vollen Auftragsbüchern.

Düsseldorf/Bochum. Das Loch in der Wand: Das haben die Schüler mit Gips einfach selbst zugemacht - und ein Wandgemälde darüber gemalt. „Ansonsten ist unser Klassenraum eigentlich ganz in Ordnung“, sagt Anna (13) von der Willy-Brandt-Schule in Bochum. „Bis auf die Gardinen, die teilweise nur noch an einem Faden hängen.“ Und dann sind da noch die unzumutbaren Toiletten, die beim Spülen auslaufen.

Untätig war die Stadt hier an der Gesamtschule nicht. Die Oberstufe hat vor einigen Jahren einen neuen Pavillon mit moderner technischer Ausrüstung bekommen. Ein maroder Pavillon wurde abgerissen. In den aktuellen Sommerferien werden die naturwissenschaftlichen Räume und die Mensa modernisiert. Es wurde und wird investiert.

8,5 Milliarden für Schulsanierung benötigt

Das Beispiel Willy-Brandt-Schule zeigt: Der Wille, die jahrelang verschlafene Schulmodernisierungen in NRW nachzuholen, ist da. Aber der Sanierungsstau ist weiterhin gigantisch. 8,5 Milliarden Investitionsrückstand gibt es bei den Schulen in NRW, hat der Städte- und Gemeindebund auf Grundlage des KfW-Kommunalpanels berechnet. Und aus Sicht des kommunalen Spitzenverbandes, aber auch der Gewerkschaften und Elternverbände zögern die Kommunen zu lange, wenn es darum geht, Fördermittel abzurufen.

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Geld ist durchaus da. Über das Förderprogramm „Gute Schule 2020“ hat das Land den Kommunen seit 2017 insgesamt zwei Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung gestellt. Hinzu kommen rund 1,12 Milliarden Euro aus dem 2015 beschlossenen Kommunalinvestitionsfördergesetz des Bundes, jährlich 659 Millionen Euro aus der Schul- und Bildungspauschale des Landes und knapp eine Milliarde aus dem Digitalpakt Schule des Bundes.

Das Geld ist nicht das Hauptproblem

„Es gibt viele Töpfe, aber das Problem ist, dass die Kommunen oft nicht die Planungskapazitäten haben, um die Sanierung durchzuführen“, beklagt Michael Schulte, Geschäftsführer der Gewerkschaft Bildung und Erziehung in NRW – und bezieht sich auf eine ausgelastete Baubranche, Fachkräftemangel bei technischem Fachpersonal oder unterbesetzte Planungsabteilungen in den Rathäusern. „Das Hauptproblem ist also nicht das Geld, sondern ob man Maßnahmen auch umsetzen kann.“

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Tatsächlich zeigt ein Blick auf die Zahlen: Von 1,2 Milliarden Euro, die der Bund dem Land aus dem Kommunalinvestitionsfördergesetz bereitgestellt hat, wurden bislang nur 44 Millionen Euro ausgezahlt - also in fertige Projekte überführt. 616 Millionen Euro sind bislang verplant. In den einzelnen Städten sieht es nicht anders aus. In Duisburg und Essen etwa wurden bislang noch keine, in Herne nur fünf Prozent der Mittel zur Verbesserung der Schulinfrastruktur abgerufen.

Wie der Stand beim „Gute Schule“-Landesprogramm ist, will die Landesregierung kurz vor Beginn des neuen Schuljahres mitteilen.

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Revierstädte finden keine Anbieter

Beim Städte- und Gemeindebund NRW sieht man die überlasteten Märkte als Hauptproblem für das geringe Tempo beim Mittelabruf. „Mehrere parallel laufende Fördermaßnahmen führen dazu, dass von heute auf morgen alle dasselbe nachfragen. Dann müssen Auftraggeber warten, bis Unternehmen verfügbar sind“, sagt Sprecher Philipp Stempel und ergänzt: „Bei komplexen Sanierungsprozessen, in denen mehrere Bauschritte ineinandergreifen, führt das zu langwierigen Verzögerungen – wenn ein Unternehmen ausfällt, wegen Krankheit, unerwarteten Problemen auf der Baustelle. Das sprengt die ganze Planungskette.“

Das Problem der überlasteten Märkte kennt man auch in den Rathäusern. „Die Sanierungsarbeiten werden kontinuierlich durchgeführt, allerdings mussten schon Maßnahmen verschoben werden, weil keine Firma ein Angebot eingereicht hatte“, heißt es aus Herne.

Der größte Teil des Geldes wird später benötigt

Ähnliche Erfahrungen hat man in Bottrop gemacht: „Häufig bekommen wir erst keine Angebote, oft auch zu höheren als den kalkulierten Preisen“, sagt der dortige Stadtsprecher. „Die Aufhebung von Ausschreibungen und Neuausschreibungen führen immer wieder zu terminlichen Problemen.“ Auch in Mülheim heißt es: „Die Ausführungsvorbereitungen zum Bau verlaufen größtenteils ungenügend: Viele Ausschreibungen müssen aufgehoben und erneut durchgeführt werden, da die Angebote zum Teil bis zu 40 Prozent über dem kalkulierten Kosten liegen oder es keine Anbieter gibt.“

Dass viele Mittel noch nicht abgerufen sind, erklärt man sich in Duisburg aber auch mit aufwendigen Planungen. Aus Essen heißt es ebenfalls, man stecke bei vielen Projekten eben noch in der Planungsphase. „Eine Schule baut oder saniert man nicht mal eben“, sagt Stadtsprecherin Jasmin Trilling. „Den größten Teil der Fördermittel brauchen wir, wenn wir dann am Ende in den Bau gehen.“

Grüne: Finanzierung mit der Gießkanne stoppen

Aus allen Städten heißt es jedoch deutlich: Verfallen lassen wird man die Mittel nicht. Nur bis man verplante Mittel wirklich abrufen wird, dauert es eben oft länger, als sich das Schüler, Eltern und Lehrer wünschen.

Dass viele Gelder erst nach längerer Zeit beantragt und verplant werden, sehen die Grünen NRW „als eine Folge des neoliberalen Kaputtsparens der Verwaltung zwischen 2005 und 2010.“ Der Landesvorsitzende der Grünen, Felix Banaszak, schlägt vor, das von der alten rot-grünen Landesregierung ins Leben gerufene Programm „Gute Schule 2020“ mit einer neuen Systematik fortzusetzen und zu verstetigen. „Statt die Gelder mit der Gießkanne übers Land zu verteilen, sollen sie dort ankommen, wo die Not am größten ist“, so Banaszak. „Wir sollten nicht akzeptieren, dass an der einen Schule das Streichorchester spielt und an der anderen der Putz von der Decke bröckelt.“