Mülheim. Schulneubauten in Mülheim werden teurer und verzögern sich. Gründe sind stark steigende Baupreise, fehlende Handwerker, komplexe Ausschreibungen.

Alle zurzeit laufenden Bauprojekte der Stadt werden um Monate später fertig als geplant. Das Phänomen bereitet der Stadtverwaltung Sorgen.

Die Gründe hierfür: Auf Ausschreibungen reagieren entweder gar keine Firmen oder ihre Preisforderungen liegen beim bis zu Zweieinhalbfachen der ermittelten Baukosten. „Diese überzogenen Angebote sind nicht zu verantworten. Dann müssen wir viele Gewerke neu ausschreiben und zusätzlich mit den Firmen über Auftragsausführungen verhandeln“, erklärt Julia Bodenstein.

Studium und Arbeitsplatz für Bauingenieure

Nach wie vor sucht der Immobilienservice Ingenieure für die Überwachung der städtischen Neubauten und Sanierungsprojekte. Aber der Markt scheint zurzeit leergefegt. Auch in diesem Punkt wird die städtische Bauverwaltung aktiv und attraktiver.

Darum sind jetzt drei Stellen für ein praxisintegriertes Studium für angehende Bauingenieure eingerichtet worden. Ab dem Wintersemester 2019/20 konnten aber nur zwei Stellen besetzt werden. Die meisten Jungen gehen lieber in die freie Wirtschaft.

Kinder und Lehrer müssen länger mit Lärm und Staub leben

Die Technische Leiterin des städtischen Immobilienservices beschreibt damit zeitraubende Abläufe im Hochbau. Für Schulbaustellen bedeutet das beispielsweise: Kinder und Lehrer müssen länger mit Lärm und Staub leben. Die Kosten können um Millionen steigen. Deshalb müssen andere Sanierungen noch länger warten.

Außenansicht der Gebrüder-Grimm-Schule von März 2019: Das Gebäude bietet einen heruntergekommenen Eindruck.
Außenansicht der Gebrüder-Grimm-Schule von März 2019: Das Gebäude bietet einen heruntergekommenen Eindruck. © Martin Möller / Funke Foto Services | Martin Möller

„Das ist für uns keine angenehme Situation. Wir haben Zeitpläne vorgegeben, die längst überzogen sind“, sagt Julia Bodenstein. Das sei für alle Seiten unbefriedigend. „Schulen müssen sich eigentlich darauf verlassen und danach planen können, wann die neuen Klassenzimmer fertig sind.“

Kein einziges Angebot zur Zastrowstraße eingegangen

Das läuft seit knapp einem Jahr nicht mehr so. „Viele Firmen bewerben sich erst gar nicht auf unsere Ausschreibungen“, schildert Daniel Hoyme. Der Projektleiter für die Erweiterung und Sanierung der Grundschulzentrums an der Zastrowstraße (Gebrüder-Grimm-Schule) hat beispielsweise bis heute kein einziges Angebot für die Installation neuer Sanitäranlagen bekommen.

Die Sanierung der Gebäude und der Turnhalle sowie ein neuer Gebäudetrakt sollten im Herbst 2021 komplett fertig sein. „Dieser Termin ist nicht mehr zu halten“, weiß der Architekt. Schadstoffsanierung und Gebäudeabbruch sind vergeben, mit 15 Prozent Aufschlag über der Kostenberechnung. Anders war das bei zwei Angeboten nicht zu haben“, erläutert Daniel Hoyme.

Rohbau ein Drittel teurer als kalkuliert

Krasser sieht es beim ersten Rohbauabschnitt aus. Der ist gerade fertig geworden – aber ein Drittel teurer als berechnet. Es gab nur drei Angebote. Jetzt könnte die Ausstattung sich nahtlos anschließen, wie es bei einem Neubau normal ist. Läuft aber nicht so. Die Firmen sind ausgelastet. Gerüste werden bald aufgestellt, Dachdecker und Fensterbauer erhalten demnächst den Zuschlag und fangen später an.

Auf die Ausschreibung „Modulbau schlüsselfertig“ hat sich keine Firma beworben. Das wird die nahtlose Ausstattung des Rohbaus bis nach der zweiten Ausschreibung verzögern, „wenn sich hoffentlich ein Unternehmen zu akzeptablen Preisen findet“, sagt Julia Bodenstein.

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Firmen sind sehr gut ausgelastet

Für den neuen Heizkessel mit Gasbrenner – ein kleinerer Auftrag – gab es unter zwei Angeboten eines, welches unter der Kostenrechnung lag. „Diese Firma haben wir sofort genommen“, freut sich Hoyme über seltene Erfolge. Für die Lüftungsanlage hat der Immobilienservice auch kein Angebot bekommen, aber für die Isolierung der Luftkanäle. „Die Dämmung kann aber erst eingebaut werden, wenn die Lüftung funktioniert“, schildert Architektin Bodenstein das Dilemma.

Bisher gab es für die Gebrüder-Grimm-Schule zehn Ausschreibungsverfahren mit fünf wertbaren Angeboten. „Rücklaufquote 50 Prozent“, sagen die Fachleute. Vor vier Jahren habe es mindestens fünf Bewerber pro Auftrag geben. „Die Ausschreibungsergebnisse bestätigen die zurzeit gute Marktlage und die daraus resultierende hohe Auslastung der Firmen“, sagen Bodenstein und Hoyme.

Firmen testen, was der Markt an Preisen hergibt

Einige Firmen gäben überteuerte Angebote ab, um im Gespräch zu bleiben und um zu testen, was der Markt an Preisen hergibt. „Wir können beim berechneten Volumen von 13,535 Millionen Euro sicher mal 10.000 Euro drauflegen, wenn alle Elektroinstallationen für 935.000 Euro zu haben sind“, erklärt Julia Bodenstein. Diese geringen Überschreitungen seien heute selten.

„Die Kommune hat den Druck, nach einem politischen Beschluss mit der Schulsanierung zu starten“, fügt Ricarda Krapoth vom Stadtreferat Finanzen hinzu. Dann müsse für jeden Einzelfall abgestimmt werden, ob beispielsweise der Rohbau 34 Prozent teurer werden kann, weil es kein anderes Angebot gebe. „Oft sind damit Fördergelder verbunden, die sonst wegfallen.“

Neue Ausschreibung verzögert Bauausführung

Gibt es für ein Gewerk kein Angebot oder sind diese zu hoch, wird die Ausschreibung wieder aufgehoben und eine zweite gestartet. „Das verzögert die Bauausführung um rund fünf Monate“, wissen die Architekten vom Immobilienservice.

Das bedeutet: Vielleicht erst nach den Sommerferien 2022 sind alle Arbeiten an der Gebrüder-Grimm-Schule erledigt – oder noch später. Auf ein konkretes Datum möchte sich kein Bauüberwacher mehr festlegen.