Oberhausen/Gladbeck. Das Land will mehr Regenwasser versickern lassen. Wie sich das umsetzten lässt, zeigen eine Siedlung in Oberhausen und ein Gemeinde in Gladbeck.
Eine Zechensiedlung wie aus einem Bildband zur Bergbauhistorie: Am Stemmersberg ist scheinbar die Zeit stehen geblieben. Dabei ist die Oberhausener Siedlung Pionier – in Sachen Klimaanpassung. So wie hier soll bald an viel mehr Orten an der Ruhr Regenwasser von der Kanalisation abgekoppelt werden, also natürlich versickern oder in Bachläufe geleitet werden.
Die Bewohner haben die Siedlung von 1998 bis 2001 mit eigenen Händen erneuert – und dabei das umgesetzt, was die Emschergenossenschaft eine „wassersensitive Planung nennt“. In der Siedlung versickert das Wasser durch ein sogenanntes Rigolen-System. Das heißt: Es fließt durch die Rinnen ab in unterirdische Speicher, in denen es schließlich versickert. „Denn es macht eigentlich keinen Sinn, sauberes Regenwasser ins Abwasser zu leiten“, sagt Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft, bei einem Ortsbesuch.
Ministerin würde gerne 25 Prozent des Wasser abkoppeln
NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser wünscht sich viel mehr solcher Projekte. Dass künftig 25 Prozent des Regenwassers im Revier von der Kanalisation getrennt werden sollen, ist ein Wunschziel der Ministerin. Die Stemmersberger von heute wissen teils gar nicht mehr, das ihre Siedlung dafür ein Modellprojekt darstellt. „Als wir hier mal ein Planschbecken ausgekippt haben, ist das Wasser schnell abgeflossen“, sagt Anwohnerin Vanessa B. Aber beim Thema Abkoppeln zuckt sie mit den Schultern.
Die Emschergenossenschaft hat den Umbau in Oberhausen gefördert und nennt den Stemmersberg ein „klassisches Klimaschutzprojekt“. Dabei geht es vor allem um Anpassung an die Folgen des Klimawandels, also auch an Starkregenereignisse. Das NRW-Umweltministerium schätzt, dass die Niederschläge im Winter um bis zu 30 Prozent steigen könnten. „Starker Regen belastet die Kläranlagen enorm“, sagt Abawi. Je mehr Regen man natürlich versickern könne, umso besser. „Und je mehr Platz im Kanal, umso weniger kann in die Keller zurückstoßen.“
Die Rigolen am Stemmersberg schlummern unauffällig unter den Wohnhäusern. Ihre Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“, die inzwischen alle Städte im Emschergebiet unterschrieben haben und mehr Abkopplungsprojekte hervorbringen soll, umwirbt der Wasserverband eigentlich eher mit augenfälligen Großprojekten. Wie das Universitätsviertel Grüne-Mitte in Essen oder die Regenwasserbewirtschaftung im Dortmunder Stadtteil Scharnhorst-Ost. Der Umgang mit dem Regenwasser prägt den dortigen Stadtteil – und das fällt auf. Etwa durch eine bunte Wasserschlange an einer Kita, die sich über Pergolen in den Garten ausweitet und Regenwasser vom Dach aus speit.
Wasser versickert in Gladbeck auf Grünflächen
Ein unscheinbareres Musterprojekt befindet sich 12 Kilometer Richtung Nordosten am Hahnenbach – oder das, was an heißen Tagen davon übrig ist. Vor der ausgetrockneten Fläche in Gladbeck erklärt Ilias Abawi: „In Heißperioden verdunstet hier das gesamte Wasser, der Bach fällt trocken“. Damit sich der Hahnenbach bei Regenfall schneller erholt, hat man nebenan, auf dem Hof vor der Kirche St. Marien, ebenfalls großflächig abgekoppelt. Nämlich indem man die Grünfläche der benachbarten Gemeinde großflächig ausgehoben hat.
In den dadurch geschaffenen Mulden kann das Regenwasser zum einen natürlich versickern - es kann aber auch das Tal herunter in den Hahnenbach fließen. 3700 Quadratmeter wurden hier von der Kanalisation abgetrennt, gefördert mit 22.000 Euro von der Emschergenossenschaft. „Sowas zu machen ist ja nicht nur als Klimaanpassung sinnvoll“, sagt Ilias Abawi und verweist auf das Geld, was man bei der Niederschlagsgebühr sparen kann. „Eigentlich kann man bei solchen Projekten nichts bereuen.“ Auch dafür haben die Wasserexperten ihren Begriff: „No-Regret-Maßnahme“.