Düsseldorf. . Die NRW-Kommunen stehen finanziell so gut da wie lange nicht. Doch Ministerin Scharrenbach sorgt sich um Altschulden und Sozialausgaben.

Fast jede zweite Stadt in NRW kommt inzwischen ohne neue Schulden aus. Das geht aus dem Kommunalfinanzbericht 2017 hervor, den NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) am Freitag erstmals seit 2009 wieder vorgelegt hat. Demnach kamen 186 der landesweit 420 Gemeinden und Kreise wieder mit dem Geld aus, das sie einnahmen. Davon gehörten jedoch 35 zum subventionierten „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ – einem mehrjährigen milliardenschweren Entschuldungsprogramm der rot-grünen Vorgängerregierung.

Scharrenbach sprach von einer positiven Tendenz, die vor allem dem starken Wachstum der Steuereinnahmen zu verdanken sei. So lag das kommunale Steueraufkommen 2017 bei 27,4 Milliarden Euro – mehr als neun Prozent über dem Vorjahresniveau und sogar 25 Prozent über den Einnahmen von 2013. Die Zinsen für Verbindlichkeiten lagen auf einem Rekordtief. „Gerade in den hochverschuldeten Städten hat das zu einer erheblichen Haushaltsentlastung geführt“, sagte Scharrenbach. Sogar die hochproblematischen Liquiditätskredite der Kommunen konnten in diesem günstigen Umfeld um rund 2,2 Milliarden auf gut 24 Milliarden Euro gedrückt werden.

Sozialausgaben sind im Ruhrgebiet das Kernproblem

Ina Scharrenbach (CDU), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung.
Ina Scharrenbach (CDU), Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung. © Federico Gambarini

Scharrenbach trat jedoch energisch dem Eindruck entgegen, vor allem die klammen Kommunen im Ruhrgebiet und im bergischen Städtedreieck seien über den Berg. Die positiven Haushaltszahlen seien zum Teil teuer erkauft. Sorgen bereite ihr etwa, dass die im Ländervergleich ohnehin unterdurchschnittlichen Investitionsausgaben erstmals wieder seit 2012 um über sechs Prozent gesunken seien. Es wird offenbar an Steinen gespart. Vor allem Kämmerer im Ruhrgebiet, die Auflagen des „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ erfüllen müssen, haben zudem seit Jahren mit Steuer- und Gebührenerhöhungen die Einnahmen zu Lasten der Standortattraktivität verbessert.

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„Die Sozialausgaben bleiben für das Ruhrgebiet das Kernproblem“, stellte Scharrenbach klar. Obwohl wegen der guten Beschäftigungslage die Transferleistungen nur moderat stiegen und die Flüchtlingskosten sogar massiv zurückgingen, kennen die Sozialausgaben der Städte nur eine Richtung: nach oben. Sie betrugen zuletzt rund 17,3 Milliarden. Die Unterkunftskosten für Hilfsbedürftige, die Unterstützung von Behinderten, die immer neuen Aufwendungen im mit Abstand größten Ausgabenblock „Jugend und Soziales“ – das schnürt vor allem den großen und extrem verschuldeten Ruhrgebietsstädten mit ihrer oft ungünstigen Bevölkerungsstruktur die Luft ab.

Scharrenbach ist gegen den Schuldenschnitt

Scharrenbach muss hier eine Lösung finden. Sie setzt auf die Bundeskommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“, die ein Konzept für die hohen Altschulden vieler Städte erarbeiten soll. „Ich erwarte bis zum Sommer ein Konzept zur Lösung der Altschuldenproblematik“, forderte Scharrenbach. Die Ministerin gilt als Gegnerin eines Schuldenschnitts für Städte wie Essen, Oberhausen, Hagen oder Mülheim. So lange keine Lösung für die Sozialausgaben gefunden sei, werde sich der Kreditberg rasch wieder aufbauen. Zudem würden bei einem Erlass von Altschulden Kreditgeber wie die Sparkassen oder die NRW-Bank stark belastet, warnen Experten.

Wahrscheinlicher ist ein mehrstufiges Verfahren. Zinsrisiken könnten von Bund und Land abgesichert werden. Zudem versucht die Landesregierung, den Bund stärker in die Verantwortung für die Sozialkosten zu nehmen. Außerdem wird mehr Mitsprache bei der Umsatzsteuer angestrebt: Gewährt der Bund eine Entlastung, will das Land das Geld nach sozialen Kriterien verteilen.

>>> Stärkungspakt Stadtfinanzen

Mit dem Stärkungspakt sollen 61 NRW-Städte bis 2021 ihren Haushalt ausgeglichen haben. Dazu erhalten sie Landesgelder in einer Gesamthöhe von 4,5 Milliarden Euro, verpflichten sich aber zum Sparen. Laut RWI Leibniz-Institut müssten die Städte Einsparungen von 10,6 Milliarden Euro liefern – oft zulasten der Standortattraktivität.