Düsseldorf. NRW-Schulministerin Feller schlägt im Corona-Management einen neuen Ton an und setzt nach den Ferien auf die Erfahrungen der Schulen vor Ort.
Die neue Schulministerin Dorothee Feller (CDU) nutzte die parlamentarische Sommerpause für ihren ersten Auftritt in der Landespressekonferenz im Düsseldorfer Landtag. Die 56-jährige Verwaltungsjuristin, die bislang die Bezirksregierung Münster führte, wollte knapp zwei Wochen vor dem Ferienende zumindest in zentralen Fragen der nordrhein-westfälischen Bildungspolitik Pflöcke einschlagen.
Corona-Leitfaden: Statt die Schulleitungen in NRW freitagnachmittags mit „Schulmails“ zu überfallen, die Infektionsschutzmaßnahmen für die folgende Woche anordnen, wählt Feller einen anderen Kommunikationsstil. Sie besprach sich mit den als schwierig geltenden Interessenverbänden und ließ ein 20-seitiges Corona-Handlungskonzept erarbeiten. Dieser Notfallplan soll einen Entscheidungsrahmen für die kommenden Wochen bieten, ohne dass Schulleiter permanent von Bezirksregierungen und Ministerien gegängelt werden. Zudem wandte sich Feller in Briefen an die Schulakteure.
NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU): Präsenzunterricht aufrecht erhalten als oberstes Ziel
Eigenverantwortung: Die Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts bleibt das oberste Ziele für die kommenden Monate. Doch die Schulen entscheiden künftig weitgehend selbst je nach Infektions- und Personallage, ob Teile der Schülerschaft in den Distanzunterricht gehen und wie man sich organisiert. „Wir geben den Schulen möglichst viel Beinfreiheit, es gibt jedoch zwei Grenzen: Die Schulen müssen offen bleiben und die Stundentafel darf nicht angefasst werden“, stellte Feller klar. Einen Streit wie ums „Solinger Modell“, als das Schulministerium 2020 der Stadt Solingen die Teilung von Klassen untersagte, soll es nicht mehr geben. „Die Rückmeldung aus vielen Schulen ist: Wir wissen oftmals selber vor Ort besser, wie wir es händeln können als wenn eine Aufsichtsbehörde dazukommt“, sagte die neue Ministerin.
Masken: Groß ist die Sorge in vielen Schulen, dass Reiserückkehrer das Corona-Virus in die Schulen tragen und es sich in übervollen Klassen rasant verbreitet. „In unseren Gesprächen mit den Verbänden haben sich viele eine Maskenpflicht für den Aufenthalt in den Schulen gewünscht. Zurzeit gibt es dazu keine gesetzliche Grundlage“, so Feller. Die Mund-Nase-Bedeckung wird also nur empfohlen, kann aber nicht von den Lehrkräften eingefordert werden. Die Ministerin schloss nicht aus, nach den Herbstferien die Maßnahmen nachzuschärfen, wenn der Bund ein neues Infektionsschutzgesetz als Rechtsrahmen dafür vorgelegt hat. Die Schulen sollen weiter vom Land mit Masken beliefert werden.
Tests: Wie in vielen anderen Gesellschaftsbereichen auch will NRW in den Schulen in der Regel nur noch anlassbezogen testen. Das heißt: Wer sich krank fühlt oder engen Kontakt zu einem Infizierten hatte, soll sich freiwillig vor der Schule zuhause testen. Jeder bekommt dafür zur Sicherheit fünf Tests pro Monat mit nach Hause. Ein Test in der Schule findet nur noch statt, wenn Corona-Symptome im Verlauf des Schultages auftreten und die Lehrkraft ihn anordnet. Das Gesundheitsministerium wird diese Möglichkeit in der neuen Corona-Schutzverordnung des Landes verankern. Nur zum Schulstart nach den Ferien wird noch einmal eine flächendeckende Test-Aktion in den Schulen angeboten.
NRW-Schulministerin Feller ist offen für Gedankenspiele um späteren Schulbeginn
Luftfilter: Das Bundesumweltamt habe festgestellt, dass Lüften „das A und O“ in den Schulen bleibe, so Feller. Luftfilter sollen weiterhin nur in Räumen eingesetzt werden, die schlecht zu belüften sind. Das Kommunalministerium werde das bekannte, aber wegen des komplizierten Antragswesens bei den zuständigen Stadtverwaltungen hochumstrittene Millionen-Förderprogramm fortsetzen. Künftig soll auch die Beschaffung von CO2-Ampeln vom Land unterstützt werden, die anzeigen, wann wieder gelüftet werden muss.
Lesen Sie auch: Neue NRW-Schulministerin Feller: „Ich werde den Schulen zuhören“
Schulbeginn: Die neue Schulministerin ist offen für Überlegungen, die Schule erst um neun Uhr starten zu lassen. Es gibt Studien, dass Kinder dann aufnahmefähiger seien. Über einen späteren Schulstart könnten aber nur die Schulkonferenz und die jeweilige Kommune entscheiden, stellte Feller klar. Die beruflichen Zwänge von Eltern und die Logistik des Schulbusverkehrs müssten berücksichtigt werden: „Es muss vor Ort entschieden werden“. Prognose: In den allermeisten NRW-Schulen dürfte es weiterhin um acht Uhr zur ersten Stunde klingeln.
Feller will neue Lehrkräfte einstellen - ohne zu verraten, wo sie herkommen sollen
A13: Feller bekräftigte das Ziel, noch bis Oktober ein Konzept zum Start in die gleiche Einstiegsbesoldung von allen Lehrkräften („A13 für alle“) vorzulegen. „Wir wissen um die 100 Tage. Das ist die Marschroute“, sagte sie und kündigte Verhandlungen mit Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) an. Hintergrund: Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte die bessere Besoldung für Grundschul- und Sekundarstufe 1-Lehrer für die ersten 100 Tage seiner Amtszeit versprochen.
Lesen Sie auch: Schulstart in NRW: Kommt die Corona-Reihentestung?
Lehrermangel: NRW will bis 2027 exakt 10.000 zusätzliche Lehrkräfte einstellen, kann aber bislang nicht sagen, wo die herkommen sollen. Aktuell sind über 4000 Stellen unbesetzt. Es wird wohl eine Mischung aus besser qualifizierten Seiteneinsteigern, weniger Pädagogen in Verwaltungsjobs und zusätzlichen Turbo-Studiengängen geben. „Am Ende brauchen wir die Köpfe, es helfen uns keine Stellen“, weiß Feller.
Weitere Texte aus dem Ressort NRW-Politik finden Sie hier:
- Fast 1000 Lehrer kündigen in NRW: Ist das noch normal?
- Meine Stadt ist pleite! Warum keiner die Altschulden bezahlt
- Grundsteuer in NRW: Wo Wohnimmobilien besonders teuer werden
- Ärger mit dem E-Rezept: Warum es nach sechs Wochen noch hakt
- Flensburger Punktehandel: Suche Fahrer, biete 1000 Euro