Washington. Die ersten Anzeichen, dass der Republikaner Mitt Romney 2016 noch einmal ins Rennen um die Präsidentschaft in Amerika einsteigen könnte, sind noch schwach. Zu übersehen sind sie aber nicht. Der 67-jährige Multimillionär aus Michigan ist gefragt wie Lady Gaga.
In einer selten aufrichtigen Szene des Dokumentarfilms „Mitt“ sagt Mitt Romney über sich selbst, er sei ein „Verlierer auf Lebenszeit“. Der Multimillionär aus Michigan beerdigte damit alle Nachfragen, ob er sich nach zwei erfolglosen Präsidentschaftsanläufen (2008 und 2012) noch einmal zutrauen würde, für die Republikaner um das höchste Staatsamt in Amerika zu kandidieren. Das war im Januar. Heute klingt das Dementi so: Er plane derzeit keine Bewerbung, sagte der 67-Jährige in einem viel beachteten Radio-Interview, aber wer wisse denn heute schon, was 2016 sei. „Umstände können sich ändern.“ Seither spekuliert Washington über die Wahrscheinlichkeit einer historischen Sensation. Im dritten Versuch ins Weiße Haus?
Tatsache ist: Der nach der krachenden Niederlage gegen Barack Obama vor zwei Jahren auch von Parteifreunden politisch für mausetot erklärte Mormone ist sehr lebendig. Romney drückt der aus konservativer Perspektive betrachtet zickzackkurslastigen Außenpolitik Obamas seinen Kritik-Stempel auf und warnt etwa vor dem Expansionsdrang Wladimir Putins. Romneys Argumente sind nicht ganz ohne. Als er 2012 in einer TV-Debatte Russland als den „größten geopolitischen Feind“ Amerikas bezeichnete, ließ Obama den früheren Gouverneur des Bundesstaates Massachusetts wie einen dummen Radikalinski in der Ecke stehen. Nach Krim und Ukraine gilt der fünffache Familienvater heute manchen als Seher.
Gefragt wie Lady Gaga
Daraus erwächst eine Autorität, auf die notorische Obama-in-die-Wade-Beißer wie John McCain nur mit Neid blicken können. Verlierer Romney ist gefragt wie Lady Gaga. Fast alle republikanischen Kandidaten, die am 4. November im Kongress zur Abstimmung stehen, betteln um Romneys Wahlkampfhilfe. Die milliardenschweren Gönner der Republikaner würden ihr Geld niemandem lieber in einem künftigen Präsidentschaftswahlkampf spenden als dem gelernten Risikokapital-Investor. Und auch beim Mann auf der Straße hat Mitt weiter Schlag. In einer Umfrage des „Des Moines Register“ im Bundestaat Iowa sahen die Bürger zuletzt in ihm den aussichtsreichsten Bewerber gegen die designierte demokratische Alleinanspruchsberechtigte auf die Obama-Nachfolge: Hillary Clinton.
Das ist Mitt Romney
Nun ist es nicht so, dass Romney sich nach einem dritten Akt sehnte. Seine seit 47 Jahren angeheiratete Frau Ann, die fünf Söhne, deren Ehefrauen und die 22 Enkelkinder dürften allein bei der Vorstellung Schwindelgefühle bekommen, ab Januar 2016 erneut die strapaziöse Ochsentour um die Gunst der Wähler mitmachen zu müssen. Auf der anderen Seite ist da ein kerngesundes Stehvermögen, eine finanzielle Unabhängigkeit und die tiefe Überzeugung, Amerika, „der strahlenden Stadt auf dem Hügel“, noch etwas schuldig zu sein: Führungskraft an der Pennsylvania Avenue 1600 in Washington DC.
Romneys enger Zirkel hat längst registriert, dass die republikanische Partei am Ende genau ihn, den berechenbaren, wirtschaftsfreundlichen, eben „mittigen“ Kandidaten rufen könnte. Weil sich in der „Grand Old Party“ bis heute kein einziger Anwärter abzeichnet, der genug Konsenskitt besitzt, um klassische konservative und liberale Wähler gleichermaßen anzuziehen. Erst recht nicht die gesellschaftlichen Minderheiten von den Hispanics bis zu den Afro-Amerikanern. Rand Paul aus Kentucky und sein texanischer Senatskollege Ted Cruz spalten schon, wenn sie nur den Mund auftun. Gouverneur Chris Christie aus New Jersey hat trotz Gewichtsverlust gehörige politische Altschulden am Bein. Sollte sich der seriöse Jeb Bush aus der gleichnamigen Präsidenten-Dynastie einem aussichtsreichen Rennen verweigern, wäre Romney der Mann für alle Fälle. Tim Pawlently, 2012 noch einer seiner Widersacher, sagt es so: „Das Land spürt, dass es sich damals einen herausragenden Präsidenten entgehen ließ.“ Umstände können sich ändern. Auch für Verlierer auf Lebenszeit.