Tel Aviv/London. Die Weltgemeinschaft verstärkt den Druck auf Israel, einen Kompromiss mit den Palästinensern zu finden. Eine Abstimmung im britischen Parlament für einen Palästinenserstaat hat Signalwirkung. Oppositionsführer Herzog sprach dagegen von einem “massiven Misserfolg der israelischen Außenpolitik“.
Mit der symbolischen Anerkennung Palästinas als Staat hat das britische Parlament Israel einen Schuss vor den Bug verpasst. Die Abstimmung ist zwar nicht bindend und widerspricht der offiziellen Regierungspolitik Großbritanniens. Sie wird in Israel dennoch mit großer Sorge gesehen, weil sie einen Trend widerspiegelt. Oppositionsführer Izchak Herzog sprach von einem "massiven Misserfolg der israelischen Außenpolitik".
Nach mehr als zwei Jahrzehnten ergebnisloser Friedensverhandlungen in Nahost, deren Ziel die Gründung eines Palästinenserstaates war, wird die internationale Gemeinschaft offenbar ungeduldig. Die Abstimmung in London reiht sich in eine Serie ähnlicher Entscheidungen ein.
Erst zu Monatsbeginn hat Schwedens neuer sozialdemokratischer Regierungschef Stefan Löfven angekündigt, er wolle Palästina anerkennen. Im kommenden Jahr will Frankreich die von Israel boykottierte palästinensische Einheitsregierung von Fatah und Hamas in Paris empfangen - aus israelischer Sicht ein echter Tabubruch.
Israel setzt weiter auf Friedensverhandlungen
Israel beharrt darauf, die Gründung eines Palästinenserstaates könne nur Ergebnis erfolgreich abgeschlossener Friedensverhandlungen sein. Jede internationale Unterstützung für einen Alleingang des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas sei daher schädlich. Der ehemalige britische Außenminister Jack Straw kritisierte jedoch, eine solche Einstellung "würde den Israelis letztlich ein Veto-Recht darüber verleihen, ob ein Palästinenserstaat überhaupt existieren soll".
Das Vertrauen auf eine Verhandlungslösung in Nahost bröckelt immer weiter. Aus internationaler Sicht besteht eine zu große Diskrepanz zwischen den Worten und den Taten des rechtsorientierten Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.
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Er spricht zwar immer wieder von "schmerzhaften Konzessionen", gleichzeitig baut Israel seine Siedlungen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem immer weiter aus. Besondere Empörung löste die Enteignung von 400 Hektar Land im Westjordanland kurz nach dem Gaza-Krieg Ende August aus.
Weltgemeinschaft setzt Israel unter Druck
US-Präsident Barack Obama betonte bei einem Treffen mit Netanjahu vor zwei Wochen, der Status quo in Nahost sei nicht mehr haltbar. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte bei seinem Besuch in der Region, der milliardenteure Wiederaufbau Gazas - nach dem dritten Krieg in der Küstenenklave seit 2008 - müsse diesmal wirklich der letzte sein.
Nach dem Scheitern der Friedensgespräche unter US-Vermittlung will Abbas Israel jetzt umgehen, indem der UN-Sicherheitsrat mit einer Resolution den Weg zu einem Palästinenserstaat ebnet. Ein Entwurf sieht nach Medienberichten vor, dass Israel sich bis November 2016 aus den 1967 eroberten Palästinensergebieten einschließlich Ost-Jerusalems zurückzieht.
Die UN-Vollversammlung hatte Palästina 2012 schon als Beobachterstaat anerkannt, während der Weltsicherheitsrat einen Antrag der Palästinenser auf eine Vollmitgliedschaft im Vorjahr abgelehnt hatte. Die Begründung lautete damals, Israel und die Palästinenser müssten erst einen Friedensvertrag aushandeln.
Briten unterstützen Abbas geplanten Alleingang
Die symbolische Abstimmung in Großbritannien, bis zur israelischen Staatsgründung 1948 Mandatsmacht in Palästina, wird als Unterstützung für den von Abbas angestrebten Alleingang gesehen.
Der britische Israel-Botschafter Matthew Gold sprach von einem "Zeichen, in welche Richtung der Wind weht". Er sei besorgt über eine langfristigen "Wandel der öffentlichen Meinung in Großbritannien und anderen Ländern Israel gegenüber", sagte er der Times of Israel. Im Gaza-Krieg habe Israel viele Sympathien verloren.
Israel hatte im Juli und August mehr als 5000 Ziele in dem Palästinensergebiet angegriffen, um den Raketenbeschuss der islamistischen Hamas einzudämmen. Militante Palästinenser feuerten 4500 Raketen auf Israel ab. Mehr als 2100 Palästinenser und mehr als 70 Israelis wurden in dem 50-tägigen Krieg nach Angaben beider Seiten getötet. 18.000 Häuser wurden nach Angaben der UN-Nothilfeorganisation Ocha zerstört oder beschädigt.
Auch der palästinensische Politikwissenschaftler Dschihad Harb sieht einen Dominoeffekt. "Der Wandel der öffentlichen Meinung in Europa hat immer mehr Einfluss auf die Positionen der europäischen Parteien", sagte er. Harb sieht insgesamt eine "Wende in der Politik europäischer Staaten - auch solcher, die traditionell eher pro-israelisch waren". (dpa)