Berlin. . Externe Prüfer legen am Montag eine riesige Mängelliste in Sachen Bundeswehr vor. Darauf stehen 140 Probleme bei Rüstungsprojekten. Es ist die späte Eröffnungsbilanz von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Nicht sie sieht dabei alt aus, sondern die Bundeswehr. Eine Analyse

Es ist, so wird man es wohl interpretieren, die Eröffnungsbilanz von Ursula von der Leyen. Zehn Monate nach Amtsantritt nimmt die Verteidigungsministerin heute einen Bericht über die Rüstungsprojekte der Bundeswehr entgegen. Es ist eine lange Mängelliste geworden. 140 Probleme und Risiken werden aufgezählt. Die Ministerin trägt nicht die Schuld, aber die Verantwortung. Sie steht nun unter Handlungsdruck.

Ist die Expertise für die CDU-Ministerin ein Befreiungsschlag?

Von der Leyen legt offen, was im Argen liegt. Nicht sie sieht alt aus, sondern ihre Amtsvorgänger und die Militärs. Die Fehlentwicklungen haben einen langen Vorlauf. Als von der Leyen ins Amt kam und Fragen zur Pleite-Drohne „Euro-Hawk“ stellte, fühlte sich die CDU-Frau nicht ausreichend informiert. Die Materie war ihr fremd; und sich selbst den Militärs ausliefern, wollte sie auch nicht. Dafür fehlte ihr das Vertrauen. Also ergriff sie die Flucht nach vorn. Erst setzte die Ministerin im Februar einen Abteilungsleiter und einen Staatssekretär ab. Im nächsten Schritt holte sie sich im Sommer externe Berater. Katrin Suder von McKinsey wurde Staatssekretärin, ein Konsortium unter Führung von KPMG sollte neue kritische Projekte durchleuchten. Seit Juli arbeitete ein über 30-köpfiges Team der Wirtschaftsprüfer daran. 50 Millionen Euro ließ sich die Ministerin die Bestandsaufnahme kosten.

Worum geht es konkret?

Um neun Beschaffungen, die eines gemeinsam haben: Sie sind zu teuer, haben Fertigungsmängel, werden zu spät geliefert oder sind gescheitert. Es geht um den Eurofighter, das Transportflugzeug A400M, die Aufklärungsdrohne Euro-Hawk, die Hubschrauber Tiger und NH90, um ein Raketenabwehrsystem, den Schützenpanzer Puma, die Fregatte 125 und eine neue Funkausstattung.

Was fanden die Berater heraus?

Viele Punkte klingen erst mal wie Binsenwahrheiten. Zum Beispiel bemängeln die Prüfer, dass es dem Bund nicht gelinge, „Kosten-, Termin- und Leistungsziele“ gegenüber der Industrie durchzusetzen, besonders Regressansprüche. Das ist ein längst bekanntes Problem. Die Projektteams seien zu klein, oft seien „erfahrene Juristen“ nicht zu Rate gezogen worden. Im Klartext: Der Staat lässt sich über den Tisch ziehen. Der Bund müsse sich „am Niveau privatwirtschaftlicher Vertragsgestaltung orientieren“ und mit der Industrie juristisch auf Augenhöhe agieren. Interessant wird sein, wie die Probleme im Detail dargestellt werden. Der Bericht soll über 1000 Seiten lang sein. Was bisher vorzeitig bekannt wurde, ist nur eine Kurzfassung.

Was kann von der Leyen tun?

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Zumindest an zwei Stellen gibt es klare Handlungsempfehlungen. Zum einen schlagen die Prüfer vor, die Zuständigkeiten für Beschaffungen zusammenzuführen. Bisher sind die Stellen regional (Köln, Trier, Koblenz, Berlin) verteilt. Zum anderen regen die Experten an, den Euro-Hawk zu Testzwecken zu nutzen. Zur Erinnerung: Eine fertig gestellte Aufklärungsdrohne steht in der Kaserne im bayerischen Manching quasi in der Garage. Das Projekt wurde gestoppt, weil es keine Zulassung bekommen hätte. Aber: Man kann mit dem Euro-Hawk das Elektroniksystem „Isis“ – das Herzstück der Aufklärung – testen und später damit eine andere Drohne bestücken, vermutlich das Modell „Triton“ eines US-Herstellers.

Was steht politisch auf dem Spiel?

Wenn das Gutachten die späte Eröffnungsbilanz ist, gibt es ab jetzt keine Ausreden und Schuldzuweisungen mehr. Die Ministerin muss jetzt handeln. Alle Empfehlungen umzusetzen, würde nach Ansicht der Gutachter mindestens zwei Jahre dauern. Kurzfristig soll sie vom Airbus-Konzern Kompensation für den A400M verlangen, weil der Transporter erst mit jahrelanger Verzögerung geliefert wird. Sie muss auch eine Reihe von Entscheidungen über Beschaffungen treffen, die drängen. Zum Beispiel wartet die Marine auf den Auftrag für neue Hubschrauber.

Von der Leyen steht unter Zeitdruck. Für dringende Beschaffungen hat sie nach Ansicht des SPD-Wehrexperten Rainer Arnold „drei Monate Zeit“. Für die Ministerin steht auch persönlich viel auf dem Spiel, vorneweg: ihr Ansehen. Im „Deutschlandtrend“ der ARD ist sie regelrecht abgestürzt. Nur noch 28 Prozent der Bürger halten sie für eine gute Besetzung. Schon zum Start im neuen Amt waren es nur 44 Prozent.