Kobane/Mossul/London. Die Kurden melden im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat im Irak Erfolge. Doch die Lage für die nordsyrische Region um Kobane spitzt sich weiter zu. Mehr als 300 kurdische Dörfer im Umland sollen bereits in die Hände des IS gefallen sein. Wird die Türkei eingreifen?

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat seit ihrem Vormarsch auf die Kurdenenklave Kobane über 300 Dörfer im Umland unter ihre Kontrolle gebracht. Insgesamt seien 325 Ortschaften innerhalb der letzten beiden Wochen von der Miliz eingenommen worden, berichtete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstagabend. Zu Beginn der Angriffe auf die nordsyrische Region um Kobane war die oppositionsnahe Beobachtergruppe zunächst von rund 60 Dörfern ausgegangen.

Die IS-Miliz steht mittlerweile im Osten, Süden und Westen vor der Stadt Kobane (Arabisch: Ain al-Arab). Im Norden grenzt die Enklave, die bislang von kurdischen Volksschutzeinheiten kontrolliert wird, an die Türkei. Die USA und ihre arabischen Verbündeten bombardierten IS-Stellungen in der Nähe der eingekreisten Stadt. Zwei Dörfer westlich und östlich von Kobane seien am Dienstag angegriffen worden, teilte die syrische Beobachtungsstelle mit. Die Extremisten selbst beschießen Kobane seit dem Wochenende wiederholt mit Artillerie.

Briten fliegen erste Angriffe im Irak

Britische Kampfflugzeuge haben erstmals Stellungen der Terrormiliz im Irak angegriffen. Wie das Verteidigungsministerium in London am Dienstag mitteilte, unterstützten die Tornado-Maschinen dabei kurdische Kämpfer, die sich im Nordwesten Gefechte mit IS-Einheiten lieferten. Kurdische Einheiten vertrieben die IS-Miliz zudem aus mehreren Orten im Nordirak. Die Kurden setzten dabei auch schwere Waffen ein, die ihnen vom Westen geliefert worden waren, wie die irakische Nachrichtenseite Al-Mada berichtete. Die US-Luftwaffe unterstützte die Kurden.

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US-Präsident Barack Obama traf sich am Dienstag (Ortszeit) mit dem Nationalen Sicherheitsrat, um über Fortschritte im Krieg gegen IS zu sprechen. Obama wurde dabei auch über die Erfolge der US-Angriffe in Syrien und dem Kampf gegen die Chorasan-Gruppe informiert, hieß es aus dem Weißen Haus.

Die Kämpfer können sich bei Kobane bereits sehen

Im Norden Syriens konnten die Extremisten dagegen ihren Vormarsch trotz der Luftangriffe der internationalen Koalition fortsetzen. Dort rückten sie bis auf zwei Kilometer an die Stadt Kobane heran. Zwischen den Stellungen der IS und der Kurden liege nur noch ein freies Feld, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. "Die Kämpfer können sich sehen", sagte deren Leiter Rami Abdel Rahman.

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Im Nordirak hätten die Kurden zwölf Dörfer unter Kontrolle gebracht, die meisten in der Nähe des Ortes Rabia an der Grenze zu Syrien, hieß es aus den kurdischen Einheiten. Auch den Grenzort selbst nahmen sie laut der kurdischen Nachrichtenseite Rudaw ein. Er gilt als strategisch wichtig, weil er die irakischen Kurden direkt mit den syrischen Kurden verbindet, die beide gegen die Terrormiliz kämpfen.

Peschmerga-Offensive hat begonnen

Die irakischen Peschmerga hatten ihre Offensive gegen den IS im Morgengrauen begonnen. Sie griffen nach eigenen Angaben an drei Fronten an. Auch südlich der Stadt Kirkuk konnten sie zwei Orte einnehmen. US-Jets bombardierten ebenfalls IS-Stellungen im Nordirak. Die IS-Kämpfer seien Richtung Syrien abgezogen, berichtete Rudaw.

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Bei den britischen Luftangriffen seien eine mit schweren Waffen bestückte Stellung sowie ein Fahrzeug der Extremisten beschossen worden, wurde in London erklärt. Die Luftangriffe wurden als erfolgreich bezeichnet. Das Unterhaus in London hatte Ende vergangener Woche den Weg dafür frei gemacht.

Lage an der Grenze zur Türkei

Im benachbarten Syrien bombardierten die USA und ihre arabischen Verbündeten IS-Stellungen in der Nähe von Kobane. Das von den USA geführte Bündnis habe zwei Dörfer westlich und östlich von Kobane angegriffen, teilte die syrische Beobachtungsstelle mit. In kurdischen Medien hieß es, die heftigen Kämpfe um die Stadt gingen weiter.

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Die IS-Terrormiliz versucht seit Tagen, Kobane einzunehmen. Sie kontrolliert bereits Dutzende Dörfer im Umland. Die Orte liegen an der türkischen Grenze in einer Enklave, die bislang von kurdischen Volksschutzeinheiten kontrolliert wurde. Einwohner von Kobane hatten kritisiert, die Zahl der Luftangriffe gegen die Extremisten sei zu gering.

Türkei fährt 35 Panzer in der Region auf

Die Türkei zog angesichts des IS-Vormarschs auf Kobane Truppen an der Grenze zusammen. Die Streitkräfte hätten 35 Panzer in der Region aufgefahren, berichtete die regierungsnahe Zeitung "Sabah". Die Panzer hätten 400 Meter von der Grenze entfernt Stellung bezogen.

Die Regierung in Ankara legte am späten Dienstag dem Parlament eine Resolution für ein militärisches Eingreifen im Irak und in Syrien vor. An der Landgrenze im Süden der Türkei gebe es einen ernsthaften Zuwachs von Risiken und Bedrohungen, die die nationale Sicherheit wegen der jüngsten Entwicklungen in der Region bedrohten, heiße es in der Begründung des Antrags, die von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu unterzeichnet worden sei, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu in der Nacht zum Mittwoch. Die Zeitung "Hürriyet" schrieb ergänzend, das Mandat umfasse auch die Öffnung türkischer Militärbasen für ausländische Truppen. Über die Resolution soll am Donnerstag abgestimmt werden.

Rund 30 Kilometer südlich von Kobane umstellten IS-Kämpfer ein von 36 türkischen Soldaten bewachtes Mausoleum. Es liegt innerhalb Syriens auf einem Stück Land, das zur Türkei gehört. Der IS hatte bereits im März den Abzug der türkischen Soldaten gefordert. Die Regierung in Ankara lehnte das ab und warnte, ein Angriff auf das Mausoleums-Gelände werde als Angriff auf die Türkei gewertet. (dpa)