Brüssel. Polit-Profi trifft auf Satiriker: Günter Oettinger, designierter EU-Kommissar für die Internetwirtschaft, hat sich Fragen von Abgeordneten gestellt - darunter auch Martin Sonneborn von “Die Partei“. Dessen ironische Fragen ließ Oettinger abperlen. Im Zusammenhang mit dem Promi-Nacktbilder-Skandal offenbarte er allerdings Unwissen.

Die Frage ist ein Schlag ins Gesicht. Wie Günther Oettinger als nächster EU-Kommissar für Internetwirtschaft eigentlich verhindern wolle, dass Informationen über ihn "aus Versehen gelöscht" werden, will der Europaabgeordnete Martin Sonneborn wissen. Sonneborn ist neuerdings Volksvertreter, Satiriker ist der Ex-"Titanic"-Chef schon länger. Noch-EU-Energiekommissar Oettinger ist Politprofi und selten ironisch. Er teilt gerne aus. Bei seiner Vorstellung als neuer Internetkommissar vor Europaparlamentariern am Montagabend in Brüssel zeigt sich, dass er Nehmerqualitäten hat.

Bei seinen ironischen Bemerkungen bezieht sich Sonneborn auf Pläne der EU-Kommission zur Datenschutzreform - hierzu schlug die Behörde 2012 vor, den Verbrauchern ein "Recht auf Vergessen" einzuräumen und damit den Verbraucherschutz zu stärken. Wie also wolle Oettinger sicherstellen, dass nicht in Vergessenheit gerät, dass er einst seinen Führerschein wegen 1,4 Promille im Blut habe abgeben müssen? Oder die Äußerungen Oettingers, mit denen er einst den NS-Marinerichter Hans Filbinger zum Nazigegner erklärt hatte? Und noch einiges mehr. Ach ja, Oettinger möge doch auf Englisch antworten, ergänzt Sonneborn, einziger Abgeordneter seiner Satirepartei "Die Partei".

Oettinger will Sonneborns "Befehle nur eingeschränkt befolgen"

"Ich habe die Absicht, Ihre Fragen zu beantworten, aber Ihre Befehle nur eingeschränkt zu befolgen", kontert Oettinger mit unverändert starrer Miene und auf Deutsch. "Ich habe meinen Führerschein vor einem Vierteljahrhundert verloren, dazu stehe ich." Menschen wie Sonneborn würden sich daran auch weiter erinnern, in Vergessenheit gerate seine Vergangenheit schon deshalb nicht, weil sie in der Zeitung stehe. "Wer in der Politik ist, muss sich an seinen Erfolgen und Misserfolgen lebenslang messen lassen." Spricht's und widmet sich wieder seinen Plänen für den digitalen Umbau Europas.

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Seit bekannt wurde, dass Oettinger vom Energie- ins Digitalressort wechselt, verteidigt er den neuen Aufgabenbereich mit Entschlossenheit. Der neue Job bedeutet für Oettinger auch einen Abtritt aus dem politischen Rampenlicht der Russland-Krise. Über Monate hinweg hatte Oettinger immer wieder mit am Tisch gesessen, wenn sich die Energieminister Russlands und der Ukraine zu zähen Gesprächen trafen.

Viele Herausforderungen für Oettinger

Nun fängt er im Bereich Internet von vorne an. Oder doch nicht? "Ohne meine energische Widerrede (...) wäre der Google-Fall im Februar, März entschieden worden", sagt Oettinger mit Blick auf die EU-Wettbewerbsuntersuchungen gegen den Suchmaschinen-Giganten. Die Behörde ringt weiterhin mit Google um die Gestaltung einer Internetsuche, die Konkurrenten benachteiligen könnte. Dies verbucht Oettinger bei der Anhörung auch als persönlichen Erfolg.

Es warten aber eigentlich ganz andere Herausforderungen auf ihn als der Fall Google, für den sowieso die europäischen Wettbewerbshüter zuständig sind. Der europäische Telekom-Markt gilt als zersplittert. Die Extra-Gebühren für das Surfen oder Telefonieren im Ausland (Roaming) sind dafür nur ein Beispiel. Sie will die EU abschaffen, wohlmöglich schon bis Ende 2015. Doch Oettinger muss auch Investitionen in schnelles Internet ermutigen und Urheberrechtsvorschriften modernisieren. Wenn alles nach Zeitplan läuft, könnte er damit im November beginnen.

Den Nacktbild-Skandal hat er nicht verstanden

Zum Thema Urheberrecht sprach sich Oettinger für "einen stabilen Schutz" aus. "Ich glaube, dass wir in Zukunft europäische Bürger nur dann gewinnen werden, ihre intellektuelle Kraft als Autoren, als Verantwortliche für kulturelle Angebote (...) einzubringen, wenn dies auch ein Erwerbszweig bleibt." Er fügte aber hinzu: "Umgekehrt haben Nutzer der digitalen Welt ein Interesse, dass alle Kulturprodukte verfügbar sind. Die Balance werden wir finden müssen."

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Oettinger verkniff sich auch nicht einen Exkurs zum jüngsten Skandal um im Internet veröffentlichte intime Bilder Prominenter - und offenbarte dabei, dass er den Kern des Problems wohl nicht so recht verstanden hat: "Wenn jemand so blöd ist und als Promi ein Nacktfoto von sich macht und ins Netz stellt", sagte er, dann könne ihn auch die Politik nicht schützen. "Vor Dummheit kann man Menschen auch nicht oder nur eingeschränkt bewahren." Tatsächlich stammten die intimen Bilder diverser US-Promis wohl aus gehackten Speicherdiensten, wurden also mitnichten von den Betroffenen selbst ins Netz gestellt.

Kritik am Auftritt des CDU-Mannes ließ nicht lange auf sich warten. "Oettingers Antwort zeigt, dass er überhaupt nicht verstanden hat, dass es in diesem Fall um das Knacken von Cloud-Schutz ging", sagte Jan-Philipp Albrecht, Netzexperte und EU-Abgeordneter der Grünen, laut "Spiegel Online". Und weiter: "Wer so daher redet, beweist nur, wie wenig die angestrebte digitale Revolution in Europa mit ihm zu machen ist."

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Anhörungen bis kommende Woche

Die Anhörungen der designierten neuen EU-Kommissare dauern nach derzeitiger Planung noch bis Dienstag nächster Woche. Bei ihrem Auftritt am Nachmittag sagte die designierte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, die umstrittenen Sonderklagerechte für Konzerne beim Freihandelsabkommen TTIP mit den USA könnten möglicherweise nicht Teil des Abkommens sein. Die liberale Schwedin sagte am Montag vor Europaabgeordneten mit Blick auf die sogenannte Investor-Staat-Streitschlichtung (ISDS): "Es gibt Probleme mit ISDS." Sie fügte hinzu: "Ich schließe nicht aus, dass es am Ende da herausgenommen wird." (dpa)