Düsseldorf. Christdemokraten und Liberale werfen der NRW-Landesregierung vor, zu wenig gegen radikale Islamisten zu unternehmen. Das Land sei zu einer “Wohlfühlzone“ für Salafisten geworden. Hintergrund der Vorwürfe sind die Patrouillien-Gänge einer selbsternannten “Scharia-Polizei“ im Bergischen Land.

Ralf Jäger gab sich erst gar keine Mühe, den Salafismus als Sicherheitsproblem in Nordrhein-Westfalen kleinzureden. Diese vielleicht heftigste Form des gewaltbereiten Islamismus sei „die am schnellsten wachsende extremistische Vereinigung“, berichtete der Landesinnenminister am Freitag im Landtag. Vor allem Rückkehrer aus Syrien stellten ein „Sicherheitsproblem“ dar, räumte der SPD-Politiker aus Duisburg ein. Diese seien traumatisiert, fanatisiert und radikalisiert. Es gebe zwar keine Hinweise auf konkrete Anschlagspläne, aber „ein abstraktes Anschlagsrisiko“, stellte der Innenminister klar.

Ein knappes Dutzend junger Islamisten, die jüngst mit leuchtenden Warnwesten als „Scharia Polizei“ durch Wuppertal patroulliert waren, haben die Bedrohung durch den Salafismus in NRW erneut auf die politische Tagesordnung gebracht. „Das war nicht nur ein Werbegag der Salafisten“, erklärte Jäger, sondern ein Angriff auf den Rechtsstaat.

Der "Scharia Polizei" die Grenzen aufgezeigt

Er habe angeordnet, „mit allen Mitteln“ dagegen vorzugehen, wenn selbsternannte Sittenwächter bei jungen Muslimen eine enthaltsame Lebensweise einfordern wollen. Der Rechtsstaat habe sich wehrhaft gezeigt und der „Scharia Polizei“ sofort die Grenzen aufgezeigt.

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Die Opposition zeichnete dagegen ein ganz anderes Bild. NRW sei „deutschlandsweiter Ruhe- und Rückzugsraum für Salafisten“ geworden und eine „Wohlfühlzone“ des Islamismus, kritisierte CDU-Innenexperte Theo Kruse. NRW habe eine Spitzenstellung beim In- und Export von Gotteskriegern.

Er stützte sich dabei auf die Zahlen der Verfassungsschützer. Von den bundesweit rund 6600 bekannten Salafisten haben 1800 ihren Wohnsitz an Rhein und Ruhr. 2011 waren es noch 500. Jüngst ist einer der Köpfe der Bewegung, Pierre Vogel, von Hamburg nach Bergheim umgezogen. Nach Lesart der Union ist er vor dem höheren Fahndungsdruck der Hamburger Ermittler geflüchtet.

40 salafistische Netzwerke in NRW

Es gibt in NRW mittlerweile 40 salafistische Netzwerke. 130 Extremisten dieser Bewegung sind laut Landesverfassungsschutz nach Syrien ausgewandert, um sich im Dschihad an der Waffe ausbilden zu lassen. Die Türkei hat sich nach Angaben von Innenminister Jäger als „Drehscheibe“ für ausreisende Dschihadisten entwickelt. 28 junge Kämpfer kehrten zwischenzeitlich zurück nach Deutschland - und müssen als potenzielle Attentäter besonders intensiv beobachtet werden.

FDP-Innenexperte Joachim Stamp kritisierte die Vorbeugungspolitik der Landesregierung gegen die salafistische Gefahr: „Sie tun zu wenig. Machen Sie Ihre Hausaufgaben bei der Terrorbekämpfung.“ Das landeseigene Präventionsprogramm „Wegweiser“ mit einer eigens geschalteten Hotline, die laut Innenministerium wöchentlich bis zu zehn Hinweise auf gefährdete junge Muslime bekommt, sei kaum bekannt und schwer zu erreichen, klagte Stamp. Jäger setze zudem die falschen Prioritäten: Statt konsequent gegen Hassprediger vorzugehen, schicke NRW regelmäßig 3500 Polizisten zum „Blitzmarathon“ auf die Straße.

SPD-Innenpolitiker Hans-Willi Körfges warnte davor, allein auf Repression und Verbote zu setzen. Vielmehr müsse man die Zivilgesellschaft muslimischen Glaubens zu stärken, damit nicht noch mehr junge islamische Männer in den Salafismus abglitten. Auch Grünen-Expertin Verena Schäffer wies auf hohe rechtliche Hürden beim Vorgehen gegen Salafisten hin. So könne man verdächtigen Islamisten nicht einfach den Reisepass abnehmen. Diese bürgerlichen Freiheitsrechte dürften bei aller Besorgnis auch nicht einfach geschleift werden.