Düsseldorf. . Beim Finanzausgleich der Länder will Düsseldorf jetzt so rücksichtslos feilschen wie sonst nur die Bayern. NRW ist zwar formal „Nehmerland“ im Finanzausgleich, zahlt aber in der Gesamtabrechnung der Geldströme kräftig drauf. Das will sich die Landesregierung nicht mehr bieten lassen.
Um den Ernst der Lage zu verdeutlichen, griff der nordrhein-westfälische Finanzminister und frühere Regierungssprecher Norbert Walter-Borjans neulich zu einer eigenwilligen Wortschöpfung: „Auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ich können Södern und Seehofern“, drohte der SPD-Politiker vor Journalisten in Düsseldorf. Mit Blick auf die anlaufenden Verhandlungen der Bundesländer über die Neuregelung des innerdeutschen Finanzausgleichs und des Solidarpakts ab 2019 sollte das wohl heißen: NRW wird diesmal so rücksichtslos seine Interessen vertreten, wie man es sonst von den Kollegen aus Bayern gewohnt ist.
Walter-Borjans fordert schon länger eine Runderneuerung der Finanzbeziehungen zwischen den Bundesländern. „Wir müssen Kredite aufnehmen, um unseren solidarischen Beitrag für den Aufbau Ost zu bezahlen. Aber den eigenen Strukturumbau und die Folgekosten sollen wir aus eigener Kraft stemmen. Das ist nicht fair“, sagt der Finanzminister.
NRW zahlt 1,7 Milliarden Euro ein
NRW ist zwar formal „Nehmerland“ im Finanzausgleich, zahlt aber in der Gesamtabrechnung der Geldströme kräftig drauf. Aus Düsseldorf werden 2,4 Milliarden Euro Umsatzsteuer an andere Länder abgeführt, nur 700 Millionen Euro fließen aus dem Länderfinanzausgleich zurück. Unter dem Strich zahlte NRW 2013 also 1,7 Milliarden Euro in den Gesamttopf ein und gehörte damit zu den sechs Geberländern.
„Bei einer gerechten Lastenteilung käme NRW längst ohne neue Schulden aus“, sagt Walter-Borjans. Um diese kühne Behauptung zu untermauern, lädt er gerne zu einer Reise des Steuer-Euros in seinem Bundesland ein. Und die geht so: Nimmt man die Steuerkraft pro Einwohner, liegt NRW mit 3426 Euro auf einem guten fünften Platz im Länderranking.
Kraft will hart für NRWs Interessen eintreten
Wenn aber erst die Umsatzsteuer auf die Länder verteilt ist, den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen ein Sondereffekt zugestanden wurde, ein Rechenfaktor für die ärmeren Länder Berücksichtung fand und die Sonderhilfen für Ostdeutschland ausgezahlt wurden, rutscht NRW mit nur noch 3350 Steuer-Euro pro Kopf auf Rang 16 ab. Über alle Transfers und Ausgleichssystem verliert NRW also 1,3 Milliarden Euro seiner Steuerkraft pro Jahr.
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Lange war es guter Brauch, dass NRW als bevölkerungsreichstes Bundesland bei den schwierigen Finanzverhandlungen im entscheidenden Moment Kompromissfähigkeit signalisiert. Diesmal stehen die Chancen für die Mittlerrolle nicht allzu gut. Walter-Borjans moderiert zwar gemeinsam mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Erneuerung der Finanzbeziehungen, die im kommenden Jahr eine Blaupause für die Großreform ab 2019 vorlegen soll. Für eine harte Interessenvertretung Nordrhein-Westfalens scheint aber diesmal Ministerpräsidentin Kraft persönlich sorgen zu wollen.
Der Osten baut Schulden ab, der Westen nimmt Kredite auf
Kraft ärgert sich darüber, dass ihr der emsige Schuldenabbau der gut subventionierten ostdeutscher Länder zur Nachahmung vorgehalten wird, während ihr Kabinett gerade in einem Nachtragshaushalt neue Kredite von 3,2 Milliarden Euro beschließen musste. Auch die ungleiche Einwohnerwertung zwischen Stadtstaaten und Flächenländern macht der Regierungschefin zu schaffen.
Würde heute noch das Ausgleichssystem gelten, das bis 2004 Anwendung fand, hätte NRW 600 Millionen Euro jährlich mehr in der Kasse. Und würde der Soli nach Bedürftigkeit statt nach Himmelsrichtung vergeben, kämen auch Strukturhilfen an Rhein und Ruhr an.