Essen. . Doppelt so groß, doppelt so teuer und demokratisch fragwürdig: Das neue Ruhrparlament dürfte sich fundamental vom alten unterscheiden. Innenminister Ralf Jäger (SPD) sieht dennoch keinen Anlass, die aufgeblähte RVR-Verbandsversammlung zu verhindern.

Das Revier muss sich offenbar damit abfinden, dass das „Ruhrparlament“ in Essen künftig doppelt so groß und doppelt so teuer sein wird wie bisher. Innenminister Ralf Jäger (SPD) lässt in einem Brief an den Kommunalausschuss des Landtages jedenfalls keinen Zweifel daran zu, dass die neue, von 71 auf 138 Politiker aufgeblähte RVR-Verbandsversammlung rechtlich nicht zu beanstanden sei.

Das Ministerium sieht „keinen Anlass, das aktuelle Verfahren zur Bildung der Verbandsversammlung kommunalaufsichts-rechtlich zu beanstanden.“ Hoffnungen insbesondere der SPD, die Landesregierung würde nachträglich etwas unternehmen, um dieses Parlament zu verhindern, sind wohl vergebens. Die SPD dürfte laut Wahlergebnis zwar die stärkste Fraktion in die Vollversammlung schicken. Weil die Reserveliste der Partei aber zu kurz ist, kann sie gar nicht alle Mandate besetzen. Konsequenz: die Union hat die stärkste Fraktion. Wären alle Reservelisten lang genug, dann würde das Ruhrparlament sogar 163 Mitglieder bekommen. Theoretisch hätte es sogar rund 1000 Mitglieder sein können.

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Der Regionalverband Ruhr (RVR) geht davon aus, dass das vergrößerte Ruhrparlament Mehrkosten von rund 800.000 Euro verursacht. Bisher kostete es rund 900.000 Euro im Jahr. Ein juristisches Gutachten, das der RVR selbst in Auftrag gegeben hatte, kam erst vor wenigen Tagen zu dem Ergebnis, dass die „Funktionsfähigkeit“ des Parlamentes und damit auch des RVR in Gefahr sei. Die Landesregierung scheint diese Warnung kaum zu beindrucken.

In der kommenden Woche Thema im Landtags-Kommunalausschuss

Die Haupt-Ursache für das Problem liegt im Wegfall der Prozenthürden bei den Kommunalwahlen in NRW, die zu einer fortschreitenden Zersplitterung der Räte geführt hat. Das Ruhrparlament wächst von 71 auf 138 Mitglieder, weil der Recklinghäuser Kreistag einen Vertreter der rechtspopulistischen UBP in die RVR-Verbandsversammlung gewählt hatte. Die Zahl der Stimmen, die dieser Politiker bei der Kommunalwahl im Mai von den Bürgern bekam, ist nun Grundlage für einen Sitz im Ruhrparlament. Kurios ist in diesem Zusammenhang, dass ausgerechnet dieser UBP-Politiker sein Kreistagsmandat überraschend niedergelegt hat. Im Ruhrparlament will er dennoch mitmischen.

Am Montag beschäftigt sich der Verbandsausschuss des RVR mit dem Thema, am kommenden Freitag steht das Ruhrparlament auf der Tagesordnung des Kommunalausschusses im Landtag. Die konstituierende Sitzung ist für den 26. September geplant.

SPD hält dieses Parlament für „nicht handlungsfähig“

Kritische Kommentare über das aufgeblasene Ruhrparlament gab es in den vergangenen Tagen reichlich. So sagte Frank Baranowski, Sprecher der Ruhr-SPD und Gelsenkichener Oberbürgermeister: „Ich finde es bedenklich, wenn in dieser Weise das Ruhrparlament für politisch motivierte taktische Spielchen in einzelnen Mitgliedskommunen oder Kreisen missbraucht werden kann und es so eine nicht mehr handlungsfähige Größe erhält. Allein die Möglichkeit einer Vergrößerung auf 1.180 Sitze reicht aus, um den Handlungsbedarf zu erkennen. Hier müssen gesetzliche Regelungen eingebaut werden, die die Funktionsfähigkeit sicherstellen.“

„Aus unserer Sicht sind nun die Landesregierung und der Landesgesetzgeber gefordert,“ sagte Wolfgang Freye, Vorsitzender der Linkspartei im RVR. „Sie müssen prüfen, ob und wie die Anzahl der Mandate schon für die kommende Verbandsversammlung begrenzt und die spiegelbildliche Darstellung des Wahlergebnisses gewährleistet werden kann. Das ist derzeit nicht der Fall, die Wählerinnen und Wähler haben nicht die CDU zur stärksten Fraktion gewählt und wollten andere Mehrheitsverhältnisse. Wenn der Landesgesetzgeber die Situation nicht mehr bereinigen kann, sind wir auch dafür, eine Verfassungsklage der Fraktionen bzw. Parteien im RVR zu prüfen.“

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Landtagsfraktionsvorsitzender Lindner: "Verbandsversammlung zu groß"

Christian Lindner, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion: „Die Verbandsversammlung des RVR ist zu groß und sie spiegelt nicht das Wahlergebnis wider. Diese Probleme dürfen nicht ignoriert werden. Denn ein aufgeblähtes Ruhrparlament ist nicht nur teuer, es schadet durch eine undemokratische Zusammensetzung auch dem Ansehen der Politik. Staat und Politik müssen bescheiden sein und dürfen das Portemonnaie der Steuerzahler nicht über Gebühr belasten. Die FDP bietet der SPD an, gemeinsam eine konstruktive Lösung des Problems zu suchen.“

Die Union steht auf dem Standpunkt, dass ein Ruhrparlament dieses Zuschnitts leicht hätte vermieden werden können, wenn die Landesregierung und die rot-grüne Landtagsfraktionen frühzeitig die Einführung der Direktwahl für den RVR eingeführt und sich für die verfassungsrechtliche Verankerung z.B. einer Drei-Prozent Sperrklausel eingesetzt hätte. Außerdem habe die SPD im Ruhrgebiet „leichtsinnig und fahrlässig“ auf eine ausreichende Reserveliste verzichtet.