Berlin. . Die Techniker Krankenkasse hat an die Ärzte appelliert, bei Verschreibungen stärker auf den Kosten-Nutzen-Faktor von Arzneimitteln zu achten. Nach einer von der TK unterstützten Studie der Uni Bremen könnten jährlich Milliarden Euro gespart werden. Die Wirkung rechtfertige oft die hohen Kosten nicht.
Sie kosten oft das Zwanzigfache, doch ihre Wirkung ist umstritten: Die Techniker Krankenkasse hat 17 teure, patentgeschützte Mittel gegen Rheuma, Diabetes und Schlaganfälle testen lassen und kaum Zusatznutzen gegenüber herkömmlichen, günstigeren Präparaten gefunden. Würden Ärzte auf solche unnötig teuren Arzneimittel verzichten, ließen sich Milliardensummen einsparen, schätzen Experten.
Schwere Nebenwirkungen
Viele teure Medikamente sind laut Studie ihren Preis nicht wert. Bei sechs häufig verschriebenen Mitteln gegen Diabetes fanden die Forscher der Uni Bremen überhaupt keinen Zusatznutzen, im Gegenteil: Es gab zum Teil sogar ausdrückliche Warnungen vor schwerwiegenden Nebenwirkungen. Zwei Präparate wurden mittlerweile vom Hersteller vom Markt genommen, bei den vier anderen dagegen stieg die Zahl der Verschreibungen in den letzten zwei Jahren stetig an. Und das, obwohl die Mittel laut Kasse im Schnitt 18-mal teurer sind als herkömmliche Präparate.
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Auch die patentgeschützten Mittel gegen Rheuma und zur Vermeidung von Schlaganfällen überzeugten die Forscher nicht: Der Zusatznutzen der teuren Präparate sei nicht groß genug, um die Kosten zu rechtfertigen. Bei den Schlaganfall-Medikamenten für Patienten mit Vorhofflimmern beklagen die Forscher zudem viele offene Fragen mit Blick auf die Wirkeigenschaften, etwa bei mehrfach kranken Patienten.
Branche wehrt sich
Arzneien, die seit 2011 neu auf den Markt kommen, werden per Gesetz geprüft: Haben sie wirklich den versprochenen Zusatznutzen, der die hohen Kosten für patentgeschützte Mittel rechtfertigt? Ursprünglich sollte auch der Bestandsmarkt untersucht werden – das war aus juristischen Gründen gescheitert. Medikamente, die vor 2011 auf dem Markt waren, sind daher von der Regelung befreit.
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Mit ihrem „Bestandsmarktreport“ will die Kasse die Lücke schließen. Schon aus eigenem Interesse: Die 17 untersuchten Arzneimittel kosteten die Kassen zwischen 800 und 900 Millionen Euro pro Jahr, so Studienleiter Gerd Glaeske von der Uni Bremen. Geld, das die Versicherten über ihre Beiträge bezahlen müssen. Die Gesetzlichen Krankenkassen mussten im ersten Halbjahr 2014 knapp zehn Prozent mehr für Arzneimittel ausgeben als im Jahr zuvor.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie kritisierte den Report scharf: Die Ergebnisse seien „unglaubwürdig“ und „patientenfeindlich“. Bei zwei Diabetesmitteln etwa sei ein Zusatznutzen behördlich nachgewiesen.