Berlin. Vergangenes Jahr haben die Krankenkassen 30,6 Milliarden Euro für Medikamente ausgegeben. Fast vier Milliarden hätte man sich sparen können, heißt es nun im Expertenbericht AVR. Warum schafft Deutschland nicht, was Frankreich gelungen ist?

Die Deutschen müssen zu viel Geld für Medikamente bezahlen. Dies geht aus dem neuen Arzneiverordnungsreport (AVR) hervor. Unter dem Strich hätten im vergangenen Jahr 3,7 Milliarden Euro eingespart werden können, ohne dass die Patienten schlechter versorgt worden wären, sagte Studienautor Ulrich Schwabe bei der Präsentation des AVR in Berlin. Besonders deutlich wird das im Vergleich mit dem Nachbarland Frankreich.

In Frankreich kostete eine Sechserpackung des Rheumamittels Humira im vergangenen Jahr 3005 Euro. In Deutschland mussten die Krankenkassen 4554 Euro berappen. 100 Kapseln des Epilepsiemittels Lyrica schlugen mit 77 Euro zu Buche, während hierzulande 147 Euro fällig waren. Verglichen mit Frankreich musste man in Deutschland 2012 allein bei den patentgeschützten Arzneimitteln 1,2 Milliarden Euro im Jahr mehr bezahlen. Dies geht aus dem am Donnerstag vorgestellten Arzneiverordnungsreport (AVR) hervor, für den 716 Millionen Rezepte ausgewertet wurden.

Milliarden ließen sich noch einsparen, so der Bericht

Nicht nur in diesem Bereich sieht der jährliche Bericht, der in puncto Arzneimittelpreise das Standardwerk für Gesundheitsökonomen ist, ein gewaltiges Einsparpotenzial. Aus Sicht der Autoren hätte man in Deutschland 3,7 Milliarden Euro bei den Arzneimittelkosten einsparen können, ohne dass die Versorgung der Patienten schlechter wäre. Allein durch den Einsatz von Generika, also Nachahmerpräparaten mit gleichem Wirkstoff wie das teurere Original, könnte man 1,6 Milliarden Euro einsparen. In Analogarzneien – billigeren, vergleichbaren Wirkstoffen – sieht der Bericht ein Potenzial von weiteren 2,5 Milliarden Euro. Weitere 500 Millionen Euro entfallen auf Arzneimittel, deren Nutzen umstritten ist.

Auch interessant

Kostendämpfend wirkten Rabattverträge und die Reform auf dem Arzneimittelmarkt (Amnog). Seitdem werden neue Mittel offiziell daraufhin geprüft, ob sie einen Zusatznutzen haben. Nur wenn dieser gegeben ist, winken dem Hersteller satte Gewinne. Bisher hat der Gemeinsame Bundesausschuss von Kassen, Kliniken und Ärzten (G-BA) 48 neue Mittel geprüft. Das hat laut AVR zu 120 Millionen Euro an Einsparungen geführt. Ursprünglich wollte die Politik zwei Milliarden Euro einsparen. Doch nun nimmt der G-BA verstärkt auch Mittel unter die Lupe, die schon länger auf dem Markt sind. Hier könnten die Ausgaben deutlich sinken, wenn sich herausstellt, dass viele Präparate keinen Zusatznutzen haben.

Ein weiterer Anstieg wird erwartet

Nachdem die gesetzlichen Krankenversicherungen 2012 insgesamt 30,6 Milliarden Euro für Arzneimittel ausgeben mussten, rechnet AVR-Autor Ulrich Schwabe für 2014 mit einem Anstieg von 1,3 Milliarden Euro. Denn dann läuft der gesetzliche Zwangsrabatt auf patentgeschützte Arzneimittel von 16 Prozent für die Hersteller aus. Dieser wurde im August 2010 durch die Politik eingeführt, weil sie damals Milliardenlücken in der GKV befürchtet hatte. Dazu ist es bekanntlich nicht gekommen. Derzeit schlummern fast 30 Milliarden Euro an Reserven im System.