Essen. Dass Sport der Gesundheit gut tut, ist keine Neuigkeit. Eine große Studie mit Daten von Hunderttausenden Patienten zeigt jetzt allerdings, dass Bewegung Medikamente in einigen Fällen tatsächlich überflüssig machen kann. Forscher fordern „Bewegungs-Rezepte“.

Gut die Hälfte der Deutschen treibt keinen Sport, statt dessen sitzen sie zu viel – gut sieben Stunden am Tag. Zugleich aber stiegen die Ausgaben der Krankenkassen für Arzneimittel stetig an: von 19,4 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf knapp 30 Milliarden im letzten Jahr. Die Umsätze der Pharmaindustrie stiegen entsprechend. Macht Stillsitzen also krank? Jedenfalls kann Bewegung vielen Krankheiten vorbeugen und sogar manches Medikament überflüssig machen, ergab eine neue Studie.

Sport statt Pillen – auf diese Formel könnte man die Ergebnisse einer großangelegten Untersuchung mit Daten von Hunderttausenden Patienten bringen. Die Wissenschaftler wollten wissen, ob gezieltes Training im Frühstadium von Erkrankungen wie Diabetes oder Herzproblemen besser vor dem Tod schützen kann als die übliche Therapie mit Medikamenten wie etwa Blutdrucksenkern.

Gute Ergebnisse nach Schlaganfällen

Das Resultat ihrer Vergleichsstudie: In manchen Fällen wirkt Sport sogar besser als die tägliche Tablette. Die Ergebnisse veröffentlichte das Team um Huseyin Naci aus London in dem Fachmagazin „British Medical Journal“. Es empfiehlt den Ärzten, in Zukunft häufiger Sport als Alternative zu medikamentösen Therapien einzusetzen und fordert „Bewegungs-Rezepte“ für Erkrankte.

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Am positivsten fielen die Ergebnisse für Menschen aus, die einen Schlaganfall erlitten hatten und in der Rehabilitationsphase waren. In vielen Fällen erreichten sie durch Bewegung bessere Ergebnisse als durch Medikamente, so die Forscher.

Bei Patienten, deren Blutzuckerspiegel auf ein Diabetes-Risiko hindeutete, hatte regelmäßiger Sport in den meisten Fällen zumindest den gleichen Effekt wie eine Behandlung mit Medikamenten. Einen ähnlichen Effekt erkannten die Forscher auch bei einer Erkrankung der Herzkranzgefäße.

Schwierige Datenlage

Erstmals hat diese Studie weltweit alle verfügbaren Daten aus kontrollierten klinischen Studien gesammelt. Anschließend haben die Forscher das Sterberisiko der Patienten verglichen, die entweder körperlich aktiv waren oder Arzneimittel einnahmen. Dies ist die Stärke der Arbeit.

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Doch zugleich birgt die Methode Schwächen, denn die Forscher fanden deutlich mehr Daten zum Effekt von Medikamenten als zur Wirkung von Bewegung. Entsprechend ungleich war die Zahl der Patienten. Dies macht die Vergleichbarkeit problematisch. Auch waren die Patientengruppen der Medikamenten- und der Bewegungsstudien sehr unterschiedlich.

Einseitige Forschung

Doch die Forscher leiten daraus eine Kritik ab: Bisher konzentriere sich die Forschung zu einseitig auf Wirkstoffe. Dieser „blinde Fleck der Wissenschaft“ könne dazu führen, dass die effektivsten Therapien unerkannt bleiben. Sie fordern daher dringend weitere Untersuchungen zur Wirkung von Bewegung, um Ärzten die Entscheidung über die beste Behandlung zu erleichtern. Bis dahin, sagt Huseyin Naci, sei Sport auf jeden Fall angeraten.