Washington/Bagdad. Werden die USA immer weiter in den Krieg im Irak hineingezogen? Einen Kampfeinsatz bewaffneter Bodentruppen gegen IS-Extremisten hatte Präsident Obama mehrfach ausgeschlossen. Doch Washington entsendet weitere Militärberater - nun sind wieder fast 1000 US-Soldaten in dem Land.
Die USA schicken rund 130 weitere Militärberater in den Irak. Sie sollen feststellen, welche weiteren Schritte beim humanitären Einsatz zum Schutz der Jesiden unternommen werden können, teilte das Pentagon am Dienstagabend (Ortszeit) mit. Zehntausende Anhänger der religiösen Minderheit befinden sich auf der lebensgefährlichen Flucht vor IS-Extremisten. Mit der Entsendung steigt die Zahl der im Irak stationierten US-Soldaten auf fast 1000.
"Diese Kräfte werden an keiner Kampfhandlung teilnehmen", hieß es. Sie sollten "vorübergehend" ins Land geschickt werden und sich dabei mit dem US-Außenministerium und der Hilfsorganisation USAID abstimmen, um die Pläne auch mit internationalen Partnern zu koordinieren. Präsident Barack Obama habe die Entscheidung auf Empfehlung von Verteidigungsminister Chuck Hagel getroffen.
US-Botschaft in Bagdad wird geschützt
Obama hatte zuvor bereits rund 300 Soldaten in das Land geschickt, um irakische Sicherheitskräfte zu unterstützen und die große US-Botschaft in Bagdad zu schützen. Einen Kampfeinsatz bewaffneter Bodentruppen hatte er mehrfach ausgeschlossen. Beobachter fürchten jedoch, dass die USA erneut in den Irak-Krieg hineingezogen werden könnten, den Obama vor mehr als zweieinhalb Jahren für beendet erklärt hatte.
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Die EU-Staaten finden unterdessen keine gemeinsame Linie in der Streitfrage, ob Militärausrüstung in den Irak geliefert werden soll. Bei einem Treffen der EU-Botschafter für Sicherheits- und Verteidigungspolitik am Dienstag in Brüssel sprachen sich nach Angaben eines Diplomaten Frankreich, Italien und Tschechien für Lieferungen von Militärausrüstung an die Kurden im Nordirak aus, die gegen die sunnitische Miliz Islamischer Staat (IS) kämpfen. Eine Vielzahl von Staaten habe indes noch keine klare Haltung. Ein Sondertreffen der EU-Außenminister ist laut Diplomaten derzeit nicht beschlossen.
Gepanzerte Fahrzeuge aus Deutschland
Die Bundesregierung will die irakische Armee mit Rüstungsgütern wie gepanzerten Fahrzeugen und Sprengfallen-Detektoren unterstützen. Auch Waffenlieferungen schließt die Regierung nicht mehr aus.
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Angesichts der verheerenden Situation der Zivilbevölkerung im Nordirak mehren sich Warnungen vor einem Völkermord durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Im Sindschar-Gebirge im Norden des Landes saßen nach Angaben des Flüchtlingshilfswerkes UNHCR vom Dienstag weiter 20.000 bis 30.000 Menschen in der Todesfalle der Gotteskrieger - die meisten von ihnen sind Jesiden. "Das ist die Vorbereitung eines Völkermords, eines Genozids. Um nichts anderes geht es dort", warnte SPD-Chef Sigmar Gabriel.
Luftangriffe können bislang nur "Tempo verlangsamen"
Die USA flogen am Dienstag weitere Luftangriffen gegen IS-Stellungen. Bisher sei die Miliz dadurch aber nicht entscheidend geschwächt worden, räumte das Pentagon ein. Man habe nur ihr "Tempo verlangsamt", sagte Generalleutnant William Mayville. Doch die IS-Kämpfer seien "weiter darauf aus, größere Gebiete zu gewinnen". In der Nacht zum Mittwoch versorgten die USA zum sechsten Mal die Flüchtlinge im Sindschar-Gebirge mit Lebensmittel und Wasser, wie US-Zentralkommando in Tampa (Florida) mitteilte.
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Den UN lägen Berichte vor, wonach IS-Truppen systematisch Jesiden und andere Angehörige von Minderheiten oder Andersgläubige in die Enge trieben, sagte der für illegale Hinrichtungen zuständige UN-Sonderberichterstatter Christof Heyns. Zugleich verwies die UN-Berichterstatterin über Gewalt gegen Frauen, Rashida Manjoo, auf Informationen, IS-Mitglieder hätten Hunderte von Kindern und Frauen entführt und viele von ihnen vergewaltigt. Viele Frauen seien ermordet worden. "Solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen unterbunden und bestraft werden", forderte Manjoo.
Ministerpräsident Nuri al-Maliki will Amt nicht aufgeben
Im wochenlangen irakischen Machtkampf verlor Ministerpräsident Nuri al-Maliki immer weiter an Rückhalt. US-Präsident Barack Obama stellte sich klar hinter den vorgesehenen Nachfolger Haidar al-Abadi. Dessen Nominierung sei "ein hoffnungsvoller Schritt", sagte er. Nach den USA sprach sich auch der Iran für Al-Abadi aus. Der Schiit Al-Maliki war 2006 noch mit Unterstützung aus Washington und Teheran an die Macht gekommen.
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Nach seinem Sieg bei den Wahlen Ende April will er für eine dritte Amtsperiode wiedergewählt werden. Fast alle anderen politischen Kräfte lehnen das jedoch ab. Präsident Fuad Massum hatte deswegen nach einem wochenlangen Machtkampf Al-Abadi mit der Regierungsbildung beauftragt.
Al-Maliki weigert sich dennoch, sein Amt aufzugeben. Al-Abadis Nominierung sei ein Bruch der Verfassung, sagte er am Montagabend. Am Sonntag hatte er an strategisch wichtigen Punkten in Bagdad zunächst ihm loyale Sicherheitskräfte aufmarschieren lassen. Am Dienstag wies er die Armee dann aber nach Angaben der Internetseite Shafaaq News an, sich aus dem Machtkampf herauszuhalten. Sie sollten die politische Krise dem Volk, den Politikern und der Justiz überlassen. (dpa)