Kairo/Erbil. . Seit einer Woche sind zehntausende Jesiden vor den anrückenden Brigaden des „Islamischen Staates (IS)“ ins Sindschar-Gebirge geflohen. 56 Kinder sind laut Unicef bereits verdurstet. Zehntausende haben seit Tagen nichts mehr gegessen oder getrunken. Jetzt kommt internationale Hilfe.
Die pure Verzweiflung stand ihm im Gesicht. Als der irakische Hilfshubschrauber wieder abhob, klammerte sich der junge Mann an das Maschinengewehr in der offenen Seitenluke. Zwischen Erde und Himmel zerrte ihn die Besatzung ins Innere, einer von zwei Dutzend geretteten Jesiden an Bord, während unten tausende panisch gestikulierender Menschen auf den kargen Felsen zurückbleiben mussten.
Seit einer Woche sind nach Schätzung der Vereinten Nationen zehntausende Jesiden vor den anrückenden Brigaden des „Islamischen Staates (IS)“ aus der Niniveh-Ebene in das 1300 Meter hohe Sindschar-Gebirge geflohen. Hier gibt es kaum Sträucher und Bäume, tagsüber brütet eine Hitze von 40 Grad Celsius. 56 Kinder sind laut Unicef bereits verdurstet. Zehntausende haben seit Tagen nichts mehr gegessen oder getrunken, während in der Nacht zu Freitag endlich die internationale Hilfe anrollte.
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Menschen stehen unter Schock
Seitdem operieren drei US-Transportmaschinen über dem Bergen, die bisher mehr als 30.000 Mahlzeiten und Wasserkanister abgeworfen haben. In der Nacht zu Sonntag erreichten zwei britische Militärmaschinen das Notstandsgebiet, die auch Zelte, Solarlampen und Panels zum Aufladen von Handys abwarfen. Hilfsflüge aus Frankreich sind ebenfalls gestartet.
Nach wie vor jedoch kontrollieren IS-Kommandos die Asphaltstraßen auf irakischer Seite des 60 Kilometer langen Gebirgszuges. Etwa 20.000 der Eingeschlossenen konnte sich, eskortiert von Peshmerga-Milizen, auf der gegenüber liegenden Seite der Bergkette in das rund 20 Kilometer entfernte Syrien und von dort zurück auf irakisches Kurdengebiet retten. Die Menschen stehen unter Schock.
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IS-Kämpfer kidnappen Frauen
US-Kampfjets und Drohnen griffen am Wochenende auch die IS-Belagerer von Sindschar an und nahmen Artillerie-Stellungen unter Feuer, von denen auf Flüchtlinge geschossen worden war. Nach Augenzeugenberichten, die „Human Rights Watch“ zitiert, haben IS-Krieger hunderte jesidischer Frauen gekidnappt und in ihre Herrschaftsgebiete verschleppt. Ihre Männer wurden offenbar hingerichtet.
Die kurdischen Peshmerga, die vor einer Woche die Jesiden innerhalb von Stunden vor den anrückenden IS-Extremisten im Stich gelassen hatten, konnten Positionen an den wichtigsten Zufahrtsstraßen zur kurdischen Regionalhauptstadt Erbil verteidigen. Offiziell gehören heute 35.000 Kurden zur irakischen Armee, weitere 80.000 Peshmerga sind der autonomen Regionalregierung unterstellt. Sie baten jetzt im Kampf gegen die Terrormiliz um Waffen.