Berlin. Seit der letzten gesetzlichen Neuregelung des ältesten Gewerbes der Welt hat sich nach Ansicht von Experten vor allem die Situation für Zwangsprostituierte verschlechtert. Jetzt soll ein neues Prostitutionsgesetz her. Doch Union und SPD kommen auf keinen gemeinsamen Nenner.

Bei der von der Koalition angestrebten Neureglung der Prostitutionsgesetze liegen die Vorstellungen von Union und SPD noch weit auseinander. Forderungen aus der Union nach einem Mindestalter von 21 Jahren für Huren, verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen und Strafen für die Freier von Zwangsprostituierten werden von den SPD-Fachpolitikern als "kontraproduktiv" abgelehnt. "Alle Maßnahmen müssen dazu dienen, den Schutz der Frauen zu verbessern", sagte SPD-Fraktionsvize Carola Reimann am Freitag der Nachrichtenagentur dpa.

Für kommenden Donnerstag ist im Bundesfamilienministerium ein erstes Treffen der Fachpolitiker der Koalition geplant. Es soll den Streit wieder versachlichen. Die Sprecherin von Ressortchefin Manuela Schwesig (SPD) sagte der dpa: "Ziel der Neureglung ist vor allem ein besserer Schutz vor Ausbeutung und Einschränkung der sexuellen Selbstbestimmung der Prostituierten." Bordelle müssten "einer effektiven rechtsstaatlichen Kontrolle unterworfen werden." Die Neuregelung soll gemeinsam von Schwesig und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erarbeitet werden.

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Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger zeigte in der "Passauer Neuen Presse" (Freitag) großes Unverständnis für die Haltung der SPD: "Das rot-grüne Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 hat überhaupt erst dazu geführt, dass Deutschland zum Bordell Europas geworden ist."

Konsequenzen blieben aus

Seit der damals gegen großen Widerstand aus der Union durchgesetzten Neuregelung gilt das angeblich älteste Gewerbe der Welt in Deutschland nicht mehr als sittenwidrig. Huren können sich als Selbstständige in der Kranken- und Sozialversicherung anmelden und auch ihren Lohn vor Gericht von ihren Freiern einklagen.

Kritiker beklagen allerdings seit Jahren, dass mit dem Gesetz der Kampf gegen Zwangsprostitution erschwert worden sei. Gleichwohl lehnen die SPD-Fachpolitiker die Unionsforderung nach der Bestrafung der Freier von Zwangsprostituierten ab. Denn Freier könnten für Polizei und Behörden wichtige Hinweisgeber sein. Eine Strafandrohung würde sie aber davon abhalten, sagte Reimann unter Berufung auf Gespräche mit Polizei- und Justizexperten.

Bereits 2007 hatte die damals zuständige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) einen Zwischenbericht über die Erfahrungen mit dem Prostitutionsgesetz vorgelegt, der jedoch im Fachausschuss des Bundestages versandete. Von der Leyen hatte damals ein schärferes Vorgehen gegen Zwangsprostitution, Frauenhandel und Gewalt angekündigt. Konsequenzen blieben allerdings aus.

Gesetzentwurf im Herbst

Straubinger sagte: "Unser Schutzauftrag gilt den betroffenen Frauen, nicht dem Rotlichtmilieu." Durch Heraufsetzung des Mindestalters von Prostituierten von 18 auf 21 Jahre und verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen könnten die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Prostituierten deutlich verbessert werden. Reimann hielt dagegen, dass volljährige Frauen unter 21 so in die Illegalität getrieben würden. "So löst man das Problem nicht", sagte die SPD-Politikerin.

Im Ministerium wird derzeit eine Expertenanhörung ausgearbeitet. Ein Gesetzentwurf soll im Herbst vorgelegt werden. Einigkeit zeichnet sich bei den Koalitionspartnern im Vorgehen gegen sogenannte Flatrate-Sex-Bordelle ab. Straubinger sieht den Ball jetzt bei Schwesig: "Jeder weitere Tag ist eine verpasste Chance". Kritik an Schwesigs Vorgehen wird hingegen aus der SPD scharf zurückgewiesen. Unter Amtsvorgängerin Kristina Schröder (CDU) sei vier Jahre lang nichts geschehen, heißt es in einem internen SPD-Arbeitspapier, aus dem die "Welt" (Donnerstag) zitierte.

Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland rund 400 000 Prostituierte, die täglich von rund 1,2 Millionen Kunden für Sex bezahlt werden. (dpa)