Berlin. Die Kanzlerin spannt im Urlaub aus, SPD-Chef Gabriel bespielt die Sommerbühne fast alleine. Am Kräfteverhältnis zwischen Schwarzen und Roten ändert das nix. Angela Merkel hat die höchsten Zustimmungswerte seit 2007. Die SPD macht trotz Mindestlohn und Rentenpaket in Umfragen keinen Boden gut.

Für Angela Merkel könnten die Sommerferien kaum besser laufen. Erst ließ sie beim Wandern in Südtirol die Seele baumeln, dann genoss sie Hochkultur in Bayreuth. Nun spannt die 60-Jährige noch ein paar Tage aus, bis sie am kommenden Mittwoch um 9.30 Uhr wieder wie gewohnt die Kabinettssitzung in Berlin leitet.

Die Kanzlerin kann sich - abgesehen von dem ein oder anderen Krisen-Telefonat wie am Donnerstagabend mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko - im neunten Jahr ihrer Kanzlerschaft den Luxus leisten, im hektischen und stets vom Ringen um die Deutungsmacht getriebenen politischen Betrieb fast unsichtbar zu sein.

Die Bürger fühlen sich auch so von der CDU-Chefin und der von ihr geführten großen Koalition bestens regiert. Im ARD-Deutschlandtrend sind 74 Prozent der Deutschen mit Merkels Arbeit zufrieden - das ist ihr höchster Wert seit Oktober 2007. Die "GroKo" aus Union und SPD kommt auf eine Rekordzustimmung von 59 Prozent - so gut fanden die Bürger eine Regierung noch nie, seit der Trend erhoben wird.

SPD sieht sich als Motor der Regierung

Während die Krisenherde Ukraine, Irak, Syrien und Gaza die Welt in Atem halten, scheint Deutschland kollektiv tiefenentspannt zu sein. WM-Sieg, Ferienzeit, die Wirtschaft läuft (noch) - diese Wohlfühlstimmung dürfte auch die wohlwollende Bewertung der Politik beeinflussen. Ein bisschen ist es so wie in einer älteren Kaffee-Reklame: "Alles soll so bleiben wie es ist."

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Das schlägt sich in der Bewertung der Parteien nieder - die Union ist unangefochten, die SPD bleibt abgeschlagen auf Distanz. CDU/CSU legen im Deutschlandtrend sogar um zwei Punkte in der Wählergunst zu und könnten mit 41 Prozent rechnen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre. Bei den Genossen würden unverändert nur 26 Prozent ihr Kreuz machen. Die Grünen erreichen 10 Prozent (-1), die Linke verharrt bei 9 Prozent. Die AfD kommt weiter auf 5 Prozent, die FDP rutscht auf 3 Prozent (-1) ab.

Dabei sieht sich die SPD selbst nach dem Start der "GroKo" vor knapp acht Monaten gern als Motor der Regierung. Mindestlohn, Rentenpaket, Frauenquote, Doppelpass, Ökostromreform - alles Großprojekte mit roter Handschrift, die schon durch oder auf gutem Weg sind. Auch wenn führende Genossen den Riesenabstand zur Union als Momentaufnahme abtun, wird die Unruhe wachsen, je länger die SPD im "25-Prozent-Ghetto" festsitzt.

Mehr Wirtschaftskompetenz für die SPD

Bezeichnend, dass Parteichef Sigmar Gabriel kürzlich im ZDF-Sommerinterview seine Leute zur Geduld mahnte. Rentenpaket und Mindestlohn müssten bei den Bürgern erst noch sacken. Dennoch will Gabriel, der auf seiner Sommerreise ostdeutsche Mittelständler besuchte, den Kurs ändern und das Wirtschaftsprofil stärker pflegen: "Sozialdemokratie darf sich nicht nur als Betriebsrat der Nation verstehen."

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Auch SPD-Vize Ralf Stegner vom linken Flügel findet es richtig, dass seine Partei mehr Wirtschaftskompetenz aufbaut. Er warnt aber davor, den Bogen zu überspannen und das sozialpolitische "Kümmerer-Profil" zu vernachlässigen. Allzu heftige Kursänderungen seien der SPD noch nie gut bekommen. Den Höhenflug der Union sieht Stegner gelassen. Die CSU versinke doch im Maut- und Modellauto-Chaos, die SPD habe bei den Landtagswahlen in diesem und nächsten Jahr vielerorts gute Karten. Bis zur Bundestagswahl 2017 werde noch viel passieren.

Im Moment aber sieht es eher so aus, als ob nur ein freiwilliger Rückzug Angela Merkels der SPD perspektivisch die Tür zum Kanzleramt öffnen könnte. Zu den wiederholt gestreuten Gerüchten, sie könne in der laufenden Wahlperiode abdanken, hatte Merkel vor der Sommerpause erklärt, sie sei für volle vier Jahre angetreten. "Alles Weitere später", schob sie noch nach. (dpa)