Berlin. . In ein paar Wochen wählen die Menschen in Thüringen und Sachsen die neuen Landesparlamente. Fliegt die FDP auch in Sachsen aus dem Landtag, könnte die CDU sich für Schwarz-Grün entscheiden. Eine Koalition, die in Hessen erstaunlich lautlos funktioniert. Linkspartei-Chef Bernd Riexinger indes warnte die Grünen vor “Selbstfindungstrips“.

Den Anfang machte Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier. Seine Landesregierung zeige, dass CDU und Grüne erfolgreich zusammenarbeiten könnten, zog Bouffier kürzlich eine Zwischenbilanz der ersten schwarz- grünen Koalition in einem Flächenland, die seit einem halben Jahr ­erstaunlich harmonisch arbeitet. Ein solch stabiles Bündnis, fand Bouffier, sei auch im Bund möglich – wenn die Inhalte stimmten. Jetzt nehmen immer mehr CDU-Spitzenpolitiker den Ball auf, spekulieren über die erste schwarz-grüne Koa­lition im Bund 2017 – und die ­Grünen beantworten die Flirtver­suche mit freundlichen Gesten.

Das Bündnis könne funktionieren, wenn die Grünen sich ein bisschen in die Mitte bewegten, sagt CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Unionsfraktionschef Volker Kauder versichert: „Schwarz-Grün ist eine Option.“ Und CSU-Chef Horst Seehofer, der nach der Bundestagswahl noch energisch für die Große Koalition warb, erklärte am Sonntag: „Wenn vernünftige Leute zusammen kommen, kann Schwarz-Grün funktionieren. Das zeigt sich in Hessen, das könnte sich 2017 auch im Bund ­zeigen.“ Und die Grünen?

Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt reagierte wohlwollend: Eine solche Koalition sei möglich. Ob es dazu komme, würden aber die Inhalte entscheiden. Befürworter von Rot-Rot-Grün sind irritiert: „Ich kann verstehen, dass die Union jetzt nach einer dritten Garnitur für Merkel sucht“, sagte Linken-Chef Bernd Riexinger unserer Redaktion. „Aber die Grünen wären schlecht beraten, dem Werben zu folgen.“

Schwächelnde FDP steigert Interesse der Union

Völlig überraschend kommt die Debatte nicht. Nach der Bundestagswahl waren schwarz-grüne ­Koalitionssondierungen zwar gescheitert, offenbar vor allem, weil die Grünen nach einem Führungswechsel nur bedingt verhandlungsfähig waren. Offiziell begründeten sie den Abbruch der Gespräche mit Differenzen in der Energie- und ­Klimapolitik. Aber das Gesprächsklima war erstaunlich gut. Grünen-Chef Cem Özdemir schwärmte: „Die Tür ist jetzt offen – und sie wird auch nicht mehr zugehen.“

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Dass nun die Union durch die Tür lugt, hat vor allem mit der anhaltenden Schwäche der FDP zu tun, die sich auch in den bevorstehenden Landtagswahlen niederschlagen wird. Am 31. August könnte die FDP in Sachsen aus dem Landtag fliegen – das wäre das Ende der letzten schwarz-gelben Landesregierung. Den Liberalen droht die Dauerdepression, Sachsens CDU wird womöglich mit den Grünen koalieren.

Schon zwei Wochen später entscheidet sich in Thüringen, ob die SPD erstmals einen Ministerpräsidenten der Linken mitwählt. Klappt das, werden nach Einschätzung von SPD-Führungsleuten die internen Gespräche über Rot-Rot-Grün im Bund Fahrt aufnehmen. Unionsfraktionschef Kauder warnt schon: Falls die SPD in Thüringen einen Regierungschef der Linken wähle, wäre das „nicht schön“ für die Zusammenarbeit der großen Koalition.

Führende Grüne enttäuscht von SPD

In der CDU-Zentrale beobachtet man mit Argwohn, wie SPD-Chef Sigmar Gabriel hinter den ­Kulissen Gespräche mit der Linken-Spitze führt – auch wenn sich die SPD-Führung rhetorisch scharf von deren außenpolitischem Kurs abgrenzt. So versucht die Union, ihre Koalitionsoptionen zu erweitern.

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Von Tobias Blasius und Andreas Tyrock

Ihr kommt zupass, dass sich das Verhältnis der Grünen zur Linkspartei abgekühlt hat. Starke Kräfte bei den Linken täten alles dafür, durch Radikalopposition eine Regierungs­perspektive zu verhindern, so Göring-Eckardt. „Wenn sich die Linke außenpolitisch nicht bewegt, wird es Rot-Rot-Grün im Bund nicht geben.“

Führende Grüne sind auch enttäuscht von der SPD. Die Art ­etwa, wie Vizekanzler Sigmar Gabriel seine Ökostrom-Reform durchgeboxt hat und in Eilberatungen den Bundestag brüskierte, nehmen sie ihm übel. „Das werden wir nicht so schnell vergessen“, heißt es in der Fraktion. Kein Zufall, dass Grünen-Chef Özdemir vor kurzem die Kanzlerin für eine Rede in Peking lobte: „Sie hat in Teilen das Grundsatzprogramm der Grünen vorgetragen.“

Die SPD ist nicht überrascht. Beim nächsten Mal würden Union und Grüne koalieren, wenn es eine Mehrheit dafür gebe, ist sich Parteichef Gabriel seit längerem sicher.

Linken-Chef Bernd Riexinger ­ermahnt dagegen die Grünen: „Im nächsten Wahlkampf geht es ­darum, Merkel abzuwählen, und nicht um Selbstfindungstrips.“