Colmar. . Mit leidenschaftlichen Plädoyers für Europa haben Bundespräsident Joachim Gauck und Frankreichs Staatschef François Hollande dauerhafte Konsequenzen aus dem Beginn des Ersten Weltkriegs vor genau 100 Jahren angemahnt. Gemeinsam erinnerten die beiden Präsidenten im Elsass an die Toten des Krieges.

Es ist eine Geste, die viele wohlgesetzte Worte zusammenfassen oder gar ersetzen konnte: Lange und innig umarmten sich Frankreichs Staatsoberhaupt François Hollande und Bundespräsident Joachim Gauck gestern in der unterirdischen Krypta auf dem Hartmannsweilerkopf unweit des elsässischen Colmar, wo die Gebeine von mehr als 12 000 auf diesem Berg gefallenen Soldaten beider Nationen ruhen. Als erster hoher Repräsentant Deutschlands war Gauck von Hollande eingeladen worden, das Mahnmal in den Südvogesen zu besuchen und an dieser Stelle mit ihm des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs zu gedenken.

Kranz niedergelegt

Vor dem Besuch der Krypta hatten beide Präsidenten gemeinsam einen Kranz auf dem „Altar des Vaterlandes“ niedergelegt, der 1932 auf dem 956 Meter hohen Hartmannsweilerkopf errichtet worden ist. „Menschenfresser“ oder „Todesberg“ haben die Elsässer den zwischen 1914 und 1916 erbittert umkämpften Vogesengipfel getauft.

An die 30.000 deutsche und französische Soldaten fanden hier auf einem Schlachtfeld den Tod. Monatelang vegetierten die Soldaten in Schützengräben, deren Boden kniehoch von einem Sumpf aus Urin, Kot und Leichenteilen bedeckt ist. Cholera, Ruhr und Typus breiten sich aus, gleichzeitig verwandeln Tonnen von Bomben, Minen und Granaten den Berg in eine Mondlandschaft. Kilometerlange Schützengräben zerfurchen noch heute die Bergkuppe.

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Aussöhnung zweier Erbfeinde

Genau hier treffen sich Gauck und Hollande. Auf den Tag genau vor 100 Jahren hat Deutschland Frankreich den Krieg erklärt. Wie bereits im vergangenen Jahr in Oradour, dem im Zweiten Weltkrieg von Deutschen zerstörten französischen Dorf, demonstrieren die beiden Präsidenten ihre Nähe.

„Der Hartmannsweilerkopf symbolisiert wie kaum ein anderer Ort die Sinnlosigkeit und den Schrecken jener dunklen Jahre“, sagte Gauck und bezeichnete den Ersten Weltkrieg als eine der furchtbarsten Zeiten unserer gemeinsamen Geschichte: „Der Fanatismus bis zum Selbstopfer ist das Ergebnis einer schrecklichen intellektuellen und moralischen Verblendung gewesen. Hier hat Europa verraten, was seine Werte, seine Kultur, seine Zivilisation eigentlich ausmacht“. Extremer Nationalismus habe Deutsche und Franzosen in zwei Weltkriegen gegeneinander aufgehetzt.

Hollande seinerseits hob vor den als Gäste geladenen Soldaten der deutsch-französischen Brigade sowie vor Kriegsveteranen, Politikern und Jugendlichen aus beiden Ländern hervor, dass „Europa es geschafft hat, den Krieg zu besiegen“. Insbesondere die Aussöhnung zwischen den beiden Erbfeinden Deutschland und Frankreich sei eine Botschaft für alle, die Hoffnung auf einen Friedensprozess im Nahen Osten nicht aufzugeben.

Gedenkstätte geplant

Zum Abschluss der Zeremonie legten Gauck und Hollande den Grundstein für eine deutsch-französische Gedenkstätte. Bis 2017 soll auf dem Hartmannsweilerkopf ein Informationszentrum für die jährlich rund 200.000 Besucher des ehemaligen Schlachtfelds entstehen. Außerdem werden künftig im Eingangsbereich der Krypta auch die deutschen Regimenter genannt werden, die auf dem „Todesberg“ gekämpft haben. Bislang waren dort nur die Namen der französischen Einheiten zu lesen.