Tel Aviv/Gaza. Israel zieht seine Armee aus dem Gaza-Streifen ab — vier Wochen nach Beginn der Bodenoffensive. Ein Ende der Kämpfe bedeutet das aber nicht: Auch am Sonntag gingen wieder Raketen in Rafah im südlichen Gazastreifen nieder. Bei einem Treffer wurden neun Mitglieder einer Familie getötet.

Fast vier Wochen nach Beginn der Offensive im Gazastreifen hat Israel seine Bodentruppen aus weiten Teilen des Palästinensergebiets abgezogen. Die Verbände sollten aber nicht ganz abrücken, sondern eine schmale "Sicherheitszone" im Grenzgebiet schaffen, berichteten israelische Medien am Sonntag. Der entführt geglaubte israelische Leutnant Hadar Goldin ist nach Angaben des Militärs seit Freitag tot. Wie die israelischen Streitkräfte am frühen Sonntagmorgen mitteilten, starb der 23-Jährige bei Kämpfen im Gazastreifen. Die Familie des Soldaten sei unterrichtet worden.

Die israelische Luftwaffe setzte auch am Sonntag ihre Angriffe im Gazastreifen fort. 15 Menschen seien bei Luftschlägen in verschiedenen Orten des Gazastreifens getötet und mehr als 20 weitere verletzt worden, teilte ein Sprecher des palästinensischen Gesundheitsministeriums mit. Militante Palästinenser feuerten weiter Raketen auf israelische Ortschaften.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Samstagabend angekündigt, die Armee werde sich nach der Zerstörung der Tunnel im Grenzgebiet neu positionieren. Namentlich nicht genannte Militärs betonten jedoch, die am 8. Juli begonnene Offensive in dem Küstenstreifen am Mittelmeer sei damit noch nicht beendet.

Keine Entführung - vermisster Soldat starb im Gefecht

Israel hatte mit einem massiven Armee-Einsatz nach dem Soldaten Goldin gesucht, den militante Palästinenser am Freitag im Gazastreifen entführt haben sollten, und eine eben erst begonnene Waffenruhe für gescheitert erklärt. Ganze Truppenformationen durchkämmten im südlichen Gazastreifen im Bereich von Rafah Häuser und verdächtige Orte, unterstützt von Artilleriefeuer. Die Al-Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, bestritten am Samstagmorgen, den Soldaten in ihre Gewalt gebracht zu haben.

Nach Angaben des israelischen Militärs arbeitete die Einheit Goldins an der Zerstörung eines sogenannten "Terror-Tunnels", als militante Palästinenser sie angriffen. Demnach zündete einer von ihnen eine Sprengstoffweste, wie sie Selbstmordattentäter verwenden. Zwei israelische Soldaten wurden dabei getötet. Goldin habe bei der Explosion direkt neben den beiden gestanden, sagte ein hoher israelischer Offizier nach Medienangaben vom frühen Sonntagmorgen.

Netanjahu und die Hamas hatten vor dem Bekanntwerden der Nachricht vom Tod des Soldaten eine Fortsetzung der Kämpfe angekündigt. "Die Armee wird so lange im Einsatz sein, bis sie ihre Arbeit getan hat", sagte Netanjahu. Eines der Hauptziele Israels, die Vernichtung der Angriffstunnel der Hamas, sei bald erreicht. "Wir sind dabei, die Zerstörung der Tunnel zu vollenden." Danach werde Israel die Lage neu bewerten und weitere Schritte entsprechend seinen Sicherheitsbedürfnissen unternehmen, fügte Netanjahu hinzu.

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Hamas-Sprecher Fawsi Barhum erklärte, der "bewaffnete Widerstand wird weitergehen, bis er seine Ziele erreicht hat".

Für eine dauerhafte Waffenruhe forderte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier eine umfassende Lösung für den Gazastreifen. "Der Status quo, das zeigen die immer wiederkehrenden militärischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre, ist nicht haltbar", schrieb der SPD-Politiker in einem Beitrag für die "Welt am Sonntag".

Eine langfristige Lösung könne es nur geben, wenn die Waffen der Hamas in Gaza für Israel nicht mehr eine ständige militärische Bedrohung darstellten und wenn die Menschen in Gaza auf eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen hoffen könnten. Steinmeier forderte eine Öffnung von Grenzübergängen unter internationaler Überwachung, um den Waffenschmuggel zu unterbinden. Dazu solle eine EU-Grenzmission reaktiviert werden.

Bislang mehr als 1700 Palästinenser getötet

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi rief die Konfliktparteien dazu auf, sich so schnell wie möglich einer früheren ägyptischen Waffenstillstandsinitiative anzuschließen. Eine palästinensische Delegation traf am Samstagabend zu möglichen Verhandlungen über eine Waffenruhe in Kairo ein. Hamas-Politiker gehören nach ägyptischen Angaben nicht zu der Gruppe.

Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden in Gaza seit dem 8. Juli mehr als 1700 Palästinenser getötet. Über 9000 Menschen wurden demnach verletzt. Laut UN-Nothilfeorganisation Ocha hat die Gewalt fast jeden vierten Einwohner im Gazastreifen in die Flucht getrieben. Mehr als 254 000 der 1,8 Millionen Palästinenser hätten Zuflucht in eine der 90 UN-Unterkünfte gesucht. Auf israelischer Seite wurden 64 Soldaten und drei Zivilisten getötet. (dpa)