Essen. . Kinderärzte schlagen Alarm: In den vergangenen Monaten hat die Zahl der Vergiftungsfälle zugenommen, mehr Kinder mussten in Krankenhäuser eingeliefert werden. Nach Auskunft der Giftnotrufstelle Nordrhein-Westfalen in Bonn gehen an manchen Tagen inzwischen bis zu 30 Notrufe in der Stunde ein.
Ärzte berichten von neuen gefährlichen Substanzen, mit den sich Kinder im Haushalt der Eltern vergiften: Bunte Flüssigkeiten, mit denen elektrische Zigaretten gefüllt werden, oder Spülmaschinentabs, die wie Bonbons aussehen.
„Wir beobachten schon eine ganze Weile, dass die Zahl der Anrufe zunimmt“, sagte Professor Rainer Ganschow, Leiter der Bonner Giftnotrufstelle, dieser Zeitung. Nach den Zahlen des Bundesinstituts für Risikobewertung müssen in Deutschland jährlich knapp 100.000 Kinder wegen einer Vergiftung behandelt werden, die meisten davon im Kleinkindalter. Gesundheitsorganisationen wie das Grüne Kreuz gehen jedoch davon aus, dass es weitaus mehr Betroffene gibt. Die genaue Zahl sei schwer zu ermitteln, da nur Vergiftungen mit Chemikalien und ätzenden Stoffen gemeldet werden müssten.
„Tabs für die Spülmaschine erinnern äußerlich an Brausetabletten“
Sorge bereiten den Experten Fälle, in denen Kinder besonders gefährliche Stoffe mit Süßigkeiten verwechseln. „Tabs für die Spülmaschine sind oft bunt und erinnern äußerlich an Brausetabletten“, sagte Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Die darin enthaltenen Tenside können schon in kleinen Mengen die Gesundheit schädigen. Neu auf der Gefahrenliste sind die oftmals bunten Flüssigkeiten, mit denen elektrische Zigaretten befüllt werden. Das Liquid steckt in kleinen Kunststoffflaschen und enthält verschiedene Substanzen, unter anderem Mittel für die Dampfentwicklung, Aromen und Nikotin.
Warnung vor Babypuder
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Kinderärzte warnen insbesondere vor dem Gebrauch von Babypuder. „Atmet ein Kleinkind das Puder ein, kann das Puder verklumpen und das Kind schlimmstenfalls ersticken, mahnte Dr. Claudio Finetti, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Essener Elisabeth-Krankenhaus. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte rät sogar offiziell von Babypuder ab: „Dieses Mittel sollte nicht angewendet werden“, so Präsident Hartmann. Er appellierte zugleich an die Industrie, Produkte, die Kindern gefährlich werden können, deutlicher mit Warnhinweisen zu kennzeichnen.
Auch Eltern müssten mehr tun, um Kinder noch besser vor gefährlichen Stoffen im Haushalt zu schützen. „Erwachsene gehen nachlässig mit gefährlichen Substanzen wie Reinigungsmitteln oder Medikamenten um. Sie verstauen die Behälter nicht kindersicher“, so Hartmann. Viele Fälle ereigneten sich auch bei einem Besuch der Großeltern, denn deren Wohnungen seien noch weniger auf Kinder eingestellt.