Tel Aviv/Gaza-Stadt. Rettungsdienste nutzen die Waffenpause am Samstag und betraten erstmals die massiv angegriffenen Teile Gazas. Ihnen bot sich ein Bild der Verwüstung: Rund 130 Tote wurden geborgen — viele davon Zivilisten. Die Bevölkerung deckte sich mit Essen ein, Kliniken füllen Vorräte auf.

Die zwischen Israel und der radikal-islamistischen Hamas vereinbarte zwölfstündige Waffenruhe im Gazastreifen hält. Nach tagelangen Luftangriffen und Bodenoperationen des israelischen Militärs nutzen viele Palästinenser in dem dicht besiedelten Gebiet am Samstag die Möglichkeit, sich mit Nahrung und Medikamenten einzudecken.

Am Samstagabend verlängerte Israel die Waffenruhe um vier Stunden. Die humanitäre Feuerpause sollte demnach um 23 Uhr enden, berichteten israelische Medien am Samstagabend unter Berufung auf Regierungsbeamte. Ein Hamas-Sprecher in Gaza sagte, seine Organisation würde die Verlängerung noch prüfen.

Auf den Straßen waren Menschen zu sehen, in den Lebensmittelmärkten herrschte Andrang, wie ein dpa-Korrespondent aus der Stadt Gaza berichtete. Nach der am Vortag erzielten Vereinbarung sollen die Waffen zwischen 07.00 und 19.00 Uhr schweigen. Derweil gingen bei einem Außenministertreffen in Paris die diplomatischen Bemühungen weiter, den Krieg zu beenden.

Im Gaza-Stadtteil Sadschaija und im südlichen Ort Chan Junis bargen Helfer nach Angaben des Leiters der Rettungsdienste, Aschraf al-Kidra, mindestens 130 Leichen. Damit steigt die Zahl der Todesopfer in Gaza auf rund 1030. Palästinensische Rettungskräfte konnten erstmals in diese Gebiete vordringen, die Israel seit Beginn seiner Bodenoffensive am 17. Juli massiv angegriffen hatte. Auch nach verletzten Überlebenden werde gesucht, hieß es. Reportern und Kamerateams, die sich dort gleichfalls einfanden, bot sich ein Bild großflächiger Zerstörungen.

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Seit Beginn der israelischen Militäroffensive am 8. Juli wurden nach palästinensischen Angaben 985 Palästinenser getötet und rund 6000 weitere verletzt. Mehr als zwei Drittel der Opfer sind demnach Zivilisten. Auf israelischer Seite kamen bis Freitag 37 Soldaten und drei Zivilisten um.

US-Außenminister John Kerry kam am Samstag in Paris mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius aus Frankreich und Vertretern aus Großbritannien, Italien, Katar, der Türkei und der EU zusammen. Die Politiker berieten darüber, wie man rasch zu einer dauerhaften Waffenruhe im Gazastreifen kommen kann. Dabei gehe es nicht darum, über Schuld und Verantwortung zu reden, sondern um Lösungen, die Bestand haben, sagte Steinmeier am Rande des kurzfristig anberaumten Krisentreffens.

Zehn Kinder bei Angriff auf Haus in Chan Junis getötet

Die Dringlichkeit einer Einstellung der Kämpfe unterstrich ein weiterer tragischer Vorfall: Israelische Artilleriegranaten trafen in der Nacht zum Samstag, kurz vor Inkrafttreten der Feuerpause, ein Wohnhaus in Chan Junis. Mindestens 18 Menschen - unter ihnen zehn Kinder - wurden dabei getötet und viele weitere verletzt, wie Aschraf al-Kidra, der Leiter der palästinensischen Rettungsdienste in Gaza, mitteilte. Die Opfer gehörten alle der selben Familie an.

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Kerrys Bemühungen um eine Waffenruhe waren am Freitag in ein entscheidendes Stadium getreten. Die israelische Regierung lehnte seinen Vorschlag, sieben Tage lang die Kämpfe ruhen zu lassen und über die Forderungen der Hamas zu verhandeln, in dieser Form ab. Das Kabinett von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und die Hamas einigten sich schließlich auf Drängen von Kerry und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zumindest auf die zwölfstündige Feuerpause am Samstag.

Demos in mehreren deutschen Städten

In mehreren deutschen Städten waren am Samstag wieder Demonstrationen gegen den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen geplant. Kundgebungen wurden unter anderem in München, Hamburg und Frankfurt angemeldet. Lufthansa, Air Berlin und die französische Air France bieten inzwischen wieder Flüge nach Tel Aviv an. Viele Fluggesellschaften hatten den Ben-Gurion-Airport wegen Raketengefahr im israelisch-palästinensischen Konflikt mehrere Tage lang nicht angeflogen. (dpa)