Tel Aviv/Gaza. Bei den Kämpfen im Gazastreifen gibt es immer mehr zivile Opfer. Allein durch Israels Beschuss einer UN-Schule starben am Donnerstag 16 Menschen, Hunderte wurden verletzt. Aber Israels Regierungschef Netanjahu sieht noch kein Ende der blutigen Bodenoffensive - auch die Hamas nicht.
Eine Woche nach Beginn der israelischen Bodenoffensive im Gazastreifen fallen immer mehr Zivilisten den Kämpfen zum Opfer. Bei dem folgenreichsten israelischen Angriff am Donnerstag starben in einer UN-Schule voller Flüchtlinge nach palästinensischen Angaben mindestens 16 Menschen. Mehr als 200 Schutzsuchende seien in dem Gebäude in Beit Hanun im nördlichen Gazastreifen durch Granatbeschuss verletzt worden. Am Nachmittag übergab Israels Präsident Schimon Peres (90) das Amt an seinen Nachfolger, den rechtsorientierten Politiker Reuven Rivlin (74).
In der Schule des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA hatten etwa 1200 Menschen Schutz gesucht. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte den Angriff scharf. Unter den Opfern seien Kinder, Frauen und UN-Mitarbeiter, sagte er in New York.
Die israelische Armee teilte mit, die Betreiber der Schule seien vor dem Angriff aufgefordert worden, das Gebäude zu räumen. Die radikal-islamische Hamas habe die Zivilisten aber daran gehindert, die Schule zu verlassen. UNRWA-Sprecher Chris Gunness teilte hingegen mit, seine Organisation habe vergeblich versucht, mit der israelischen Armee eine Räumung der Schule zu koordinieren.
Lufthansa und Air Berlin strichen weitere Israel-Flüge am Freitag
Obwohl Palästinenser weiterhin Raketen Richtung Großraum Tel Aviv schossen, hob die US-Luftfahrtbehörde FAA ihr Flugverbot wieder auf. US-Airlines durften den internationalen Flughafen Ben Gurion seit 05.45 Uhr (MESZ) am Donnerstag wieder anfliegen. Auch der britische Billigflieger Easyjet sowie die italienische Alitalia kündigten die Wiederaufnahme des Flugbetriebs nach Israel an. Die Lufthansa und Air Berlin strichen dagegen weitere Israel-Flüge am Freitag. Die Hamas teilte mit, sie ziele weiter auf den Flughafen bei Tel Aviv.
Israel fühlt sich durch die Flugverbote international unter Druck gesetzt. Transportminister Israel Katz sprach von einer "sehr wichtigen Entscheidung" der FAA. Man habe vorher "auf allen Ebenen" agiert, sagte Katz dem israelischen Rundfunk.
Die Zahl der Toten im Gazastreifen seit Beginn der israelischen Militäroffensive am 8. Juli stieg am Donnerstag auf 788. Mindestens 5050 Palästinenser wurden verletzt. Der Hilfsorganisation Oxfam zufolge sind die meisten Toten und Verletzten Frauen und Kinder. Durchschnittlich jede Stunde falle ein Kind den Kämpfen zum Opfer. Auf israelischer Seite starben bisher mindestens 32 Soldaten und drei Zivilisten
Netanjahu lässt keine Bereitschaft zur Waffenruhe erkennen
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ließ keine Bereitschaft zu einer Einstellung der Kampfhandlungen erkennen. "Wir treiben unsere Operationen in Gaza mit voller Kraft voran, in der Luft und am Boden", sagte er vor einer Kabinettssitzung. Der britische Außenminister Philip Hammond drängte hingegen kurz zuvor in einer Unterredung mit Netanjahu: "Es ist nötig, die Bodenoperationen in Gaza möglichst schnell zu einem Abschluss zu bringen."
Israelische Medien berichteten von Bemühungen um eine fünftägige humanitäre Feuerpause zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas. In der Zeit sollten die Verhandlungen über eine dauerhafte Waffenruhe weitergehen.
Hamas-Exilchef Chaled Maschaal hatte am Mittwochabend die Zustimmung zu einer Vereinbarung mit Israel erneut von einem Ende der Blockade des Gazastreifens abhängig gemacht. US-Außenminister John Kerry reiste nach Vermittlungsgesprächen in Israel und den Palästinensergebieten wieder nach Kairo.
Flüchtlinge suchen Schutz in Schulen des Hilfswerks UNRWA
Im Gazastreifen haben nach UN-Angaben bisher mehr als 141.000 palästinensische Flüchtlinge Schutz in mehr als 80 Schulen des Hilfswerks UNRWA gesucht. Nach Informationen des UN-Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) hat die israelische Armee einen drei Kilometer breiten Streifen zum Kampfgebiet erklärt, das von Zivilisten nicht betreten werden dürfe. Das sind 44 Prozent des Gazastreifens.
Israel wirft der im Gazastreifen herrschenden Hamas vor, immer wieder absichtlich aus dicht bewohnten Vierteln sowie aus Krankenhäusern und Schulen heraus die Armee anzugreifen und so den Tod von Zivilisten zumindest in Kauf zu nehmen.
Der UN-Menschenrechtsrat will eine Untersuchung wegen möglicher Kriegsverbrechen einleiten. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, bezweifelte, dass Israel alles tue, um zivile Opfer zu vermeiden. Jede Warnung vor einem Angriff müsse den Menschen, darunter Alten und Kranken, auch die Zeit zur Flucht geben. Sie verurteilte auch die wahllosen Angriffe militanter Palästinenser auf israelische Ortschaften. Israels Außenminister Avigdor Lieberman kommentierte das mit den Worten, der UN-Menschenrechtsrat sei "schon lange zu dem Rat für die Rechte der Terroristen geworden".
Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) reagierte empört auf einen anti-israelischen Vorfall bei einem Fußballspiel in Bischofshofen. Dort hatte ein Testspiel des israelischen Fußballclubs Maccabi Haifa am Vortag nach pro-palästinensischen Demonstrationen auf dem Platz abgebrochen werden müssen. (dpa)