Karlsruhe/Berlin. Deutsche Ermittler sind offenbar einem zweiten Spion in Berlin auf der Spur. Nachdem ein BND-Mitarbeiter aufgeflogen war, der für Geheimdienste den Untersuchungsausschuss des Parlaments ausgespäht haben soll, sind nun erneut Wohn- und Büroräume im Raum Berlin durchsucht worden.
Die Spionageaffäre mit den USA weitet sich aus: Die Bundesanwaltschaft bestätigte am Mittwoch, dass gegen einen weiteren mutmaßlichen Spion ermittelt wird. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa und der "Süddeutschen Zeitung" soll er ebenfalls für einen amerikanischen Geheimdienst gearbeitet haben. Offenbar gibt es jedoch keinen Zusammenhang zu der Affäre um einen Beamten des Bundesnachrichtendienstes (BND), der für die CIA spioniert haben soll. Der amerikanische Botschafter in Berlin, John B. Emerson, musste erneut zu einem Gespräch ins Auswärtige Amt.
Die Wohn- und Büroräume des neuen Verdächtigen wurden am Mittwoch von Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft durchsucht. Das Verteidigungsministerium bestätigte der dpa, dass es "in seinem Bereich" Ermittlungen gebe. Demnach könnten das Ministerium, die Bundeswehr oder auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) betroffen sein. Der MAD ist in militärischen Angelegenheiten für die Spionageabwehr zuständig.
"Anfangsverdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit"
Nach Angaben der Bundesanwaltschaft besteht der "Anfangsverdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit". Eine Festnahme gab es zunächst nicht. Die Behörde ließ offen, für welches Land der Verdächtige gearbeitet haben soll. Nach Informationen von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR wird der neue Fall von Experten noch ernster eingeschätzt als der Verdacht gegen den BND-Mann. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags will sich an diesem Donnerstag damit befassen.
US-Botschafter Emerson war am Mittwoch erneut zum Gespräch im Auswärtigen Amt. Der Diplomat wurde von Staatssekretär Stephan Steinlein empfangen. Zum Inhalt gab es von offizieller Seite zunächst keine näheren Angaben. Die Bundesregierung erwägt inzwischen auch, Geheimdienstler aus der US-Botschaft zu unerwünschten Personen zu erklären. Spekuliert wird auch darüber, dass die USA von sich aus Personal abziehen könnten, um einem solchen Schritt zuvorzukommen.
Barack Obama soll nicht Bescheid gewusst haben
Nach einem Bericht der "New York Times" wusste Obama bei einem Telefonat mit Merkel am vergangenen Donnerstag über den Verdacht gegen den BND-Mann noch nicht Bescheid. Im Weißen Haus sei man "frustriert", dass die CIA den Präsidenten nicht unterrichtet habe. Zudem wachse die Sorge, dass die Spionagevorwürfe die Beziehungen mit Deutschland belasten könnten.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte dazu der "Saarbrücker Zeitung": "Der Versuch, mit konspirativen Methoden etwas über die Haltung Deutschlands zu erfahren, gehört sich nicht nur nicht. Es ist auch völlig überflüssig." Niemand aus der Bundesregierung verberge in Gesprächen mit US-Vertretern seine Positionen.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen forderte die US-Regierung auf, Konsequenzen zu ziehen. "Die USA müssen wieder mit uns eine gemeinsame Sicht darauf entwickeln, wie wir in Zukunft unsere Zusammenarbeit gestalten wollen", sagte die CDU-Politikerin der "Berliner Zeitung". Zum Verdacht gegen einen Mitarbeiter ihres eigenen Ministeriums sagte sie nur: "Was dahintersteckt, ist noch nicht klar." (dpa)