Berlin. . Der amerikanische „Maulwurf“ beim BND stürzt die Regierung in die nächste Verlegenheit. Nun wird geprüft, wie Deutschland den US-Geheimdiensten Paroli bieten könnte. Möglich, aber eher unwahrscheinlich ist, dass der BND selbst anfängt, in den USA zu spionieren.
Über die „bösen Amerikaner“ will Patrick Sensburg nicht moralisch urteilen. „Das macht keinen großen Sinn“, wehrt der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses ab. „Wir müssen langsam zur Kenntnis nehmen, dass die Spionage eine Möglichkeit ist, Macht zu erhalten und auszuüben“, sagte der CDU-Abgeordnete. Die Konsequenz aus dem jüngsten Spionagefall müsse es sein, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um den eigenen Datenverkehr zu schützen.
Betrachtet man alle Reaktionen aus dem Regierungslager, steht auf der einen Seite Sensburg, der abgeklärt reagiert, den Fall fast sportlich nimmt. Sein Ausschuss werde nur am Rande „tangiert“ oder „belastet“, weil der 31-jährige Spion beim deutschen Auslandsdienst BND nur wenige Unterlagen abfing, die für den Ausschuss gedacht waren.
Die Faktenlage ist dünn
Der Geheimnisverrat trifft aber ohne Zweifel die Regierung. Und so steht am anderen Ende der Reaktions-Skala ein Kabinettsmitglied: der pikierte Justizminister Heiko Maas (SPD). „Der Überwachungswahn der NSA muss endlich ein Ende haben.“ Aber die Faktenlage ist dünn. Weder liegt eine Einschätzung des Generalbundesanwalts vor, der seit Donnerstag ermittelt, noch hat sich die US-Regierung gerührt. Das Muster passt zum bisherigen Verlauf der NSA-Affäre. Die Fragen aus Deutschland bleiben unbeantwortet.
Zwar beantragte die SPD eine Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission, das Gremium wird auch tagen, spätestens am Freitag. Aber wie viel kann Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) zur Aufklärung beitragen?
Die Regierung ist nur bedingt aktionsfähig. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist in China unterwegs, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in der Mongolei. Der Innenminister fliegt heute nach Italien.
Kanzlerin und Außenminister reden im Konjunktiv über den Spionagefall. Sollten sich die Verdachtsmomente bestätigen, will Steinmeier „nicht zur Tagesordnung übergehen“. Und für Merkel wäre es ein „sehr ernsthafter Vorgang“. Was aber folgt daraus?
Denkbar sind viele Reaktionen. Ein Abbruch der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zählt eher nicht dazu. Naheliegend wäre eine kompromisslosere Spionageabwehr. Bisher ging der Verfassungsschutz nur in „begründeten Einzelfällen“ gegen Partnerdienste vor. Amtschef Hans-Georg Maaßen spricht aber schon seit Langem von einem „360-Grad-Blick“. Er will ausnahmslos alle in den Blick nehmen.
Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) kann man so verstehen, dass die Spionageabwehr ausgebaut wird. Möglich, aber eher unwahrscheinlich ist, dass der BND selbst anfängt, in den USA zu spionieren. Der Aufwand wäre gewaltig. Schon beschlossene Sache ist hingegen, dass der BND seine Abhängigkeit von den Amerikanern reduziert. Der Dienst will mit mehr als 200 Millionen Euro die Datenanalyse und Fernmeldeaufklärung ausbauen.
Erst einmal Zeit gewinnen
In künftigen Fällen könnte man US-Diplomaten auch schnell und rabiat ausweisen – und juristisch lästig werden. So muss man zumindest Justizminister Maas verstehen: „Auch die Geheimdienste müssen sich an Regeln halten. Wenn sie das nicht tun, muss dagegen strafrechtlich vorgegangen werden.“
Erst einmal versucht die Regierung, Zeit zu gewinnen. Die Schrittfolge steht fest: „Erst Klärung und dann entscheiden, was zu tun ist“, erklärte Steinmeier. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, stünden sie für Merkel im „klaren Widerspruch zu dem, was ich unter einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Diensten und von Partnern verstehe.“