Berlin. . Die Bundesregierung verlangt von den USA dringend Aufklärung über den Spionagefall beim BND. Selbst Bundespräsident Joachim Gauck verliert die Geduld. Der BND beschwichtigt, es seien keine sensiblen Daten weitergereicht worden. Der diplomatische Schaden ist indes jetzt schon groß.
Der Bundespräsident hat lange gezögert. Joachim Gauck hegt viel Sympathie für die USA, deshalb hat er sich zur NSA-Affäre selten und eher vorsichtig geäußert. Doch jetzt verliert selbst Gauck die Geduld: Wenn ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) für einen US-Geheimdienst spioniert haben sollte, dann sei dies „ein Spiel auch mit Freundschaft, mit enger Verbundenheit“, empörte sich der Präsident am Sonntagabend im ZDF-Interview und legte eine klare Ansage nach: „Dann ist ja nun wirklich zu sagen: Jetzt reicht’s auch einmal.“
Mit seinem Ärger steht der Präsident nicht allein. Das politische Berlin ist fassungslos über den jüngsten Fall, der das ohnehin angeknackste Verhältnis zu den USA noch einmal schwer belastet. Auch die Kanzlerin äußert sich intern so enttäuscht wie überrascht. Haben die USA nichts gelernt aus der NSA-Affäre? Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der noch am Freitag den US-Botschafter zum Gespräch ins Ministerium bitten ließ, drängt die USA harsch zur Aufklärung.
10.000 Euro Vorschuss
Noch sind die Vorwürfe nicht bestätigt. Der BND erklärt beschwichtigend, der festgenommene Spion habe keine besonders sensiblen Daten weitergegeben. Und der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Patrick Sensburg (CDU), versichert, die Arbeit der Abgeordneten sei, anders als befürchtet, nicht ausspioniert worden.
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Doch wie wertvoll die Informationen auch waren – ein gravierender Vertrauensbruch ist es allemal. Nach den bisherigen Ermittlungen hegen Eingeweihte in Regierung und Bundestag keinen Zweifel mehr, dass der festgenommene Doppelagent tatsächlich jahrelang den US-Geheimdienst CIA belieferte, wie er es in seiner ersten Vernehmung erklärt hatte. Alle Indizien sollen dafür sprechen. Der 31-Jährige war Mitarbeiter der BND-Abteilung „Einsatzgebiete/Auslandsbeziehungen“, die auch für die Kommunikation mit deutschen BND-Agenten im Ausland und die Zusammenarbeit mit einzelnen Partnerdiensten zuständig ist.
31-Jähriger meldete sich selbst
Er hat sich nach eigenen Angaben Ende 2012 selbst per Mail bei der amerikanischen Botschaft in Berlin gemeldet und seine Spionagedienste angeboten. Die Amerikaner sahen nicht etwa Veranlassung, den BND zu alarmieren – stattdessen fand schon wenig später ein erstes Treffen in Österreich mit dem BND-Mitarbeiter statt. Amerikanische Geheimdienstler zahlten ihm 10 000 Euro Vorschuss und äußerten ihre Wünsche. So jedenfalls hat es der Spion, der geh- und sprachbehindert sein soll, nach seiner Verhaftung letzte Woche selbst erzählt und Geldgier als Motiv genannt.
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Als technischer Mitarbeiter hatte er Zugriff auf zahlreiche, auch streng geheime Dokumente. Drei Mal traf er sich mit seinem US-Kontaktmann, übermittelte insgesamt 218 Dokumente, bekam dafür 25 000 Euro. Stimmt die Version, haben ihn die USA zuletzt auch auf den NSA-Untersuchungsausschuss angesetzt. Er konnte aber wohl nur belanglose Unterlagen aus dem BND liefern – die internen Papiere des Ausschusses, Recherche- und Vernehmungsdokumente, seien „nicht nach draußen gedrungen“, wie Ausschuss-Chef Sensburg betont.
Stolz auf den Fang
Beim Verfassungsschutz ist man stolz auf den Fang, der BND sieht keine Versäumnisse; gegen „Selbstanbieter“ sei nur wenig auszurichten, heißt es. Doch so einfach lassen sich Regierung und Bundestag diesmal nicht beruhigen. In der Union wird der Ruf nach einer technischen Aufrüstung deutscher Dienste laut, um unabhängiger von den USA zu werden. Und SPD-Fraktionsvize Eva Högl forderte gestern, die Spionageabwehr zu verbessern – in alle Richtungen, auch gegenüber westlichen Partnern.