Berlin. . Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt will die umstrittene Pkw-Maut auf allen Straßen und nicht nur auf Autobahnen kassieren. Vorgesehen ist eine Vignette für In- und Ausländer, deren Einnahmen in einen neuen Finanzierungstopf fließen sollen. Heimische Autobesitzer sollen von einer geringeren Kfz-Steuer profitieren. Doch die EU hat Bedenken gegen diese Regelung.

Der Kanzlerin ist die Sache mit der Pkw-Maut nicht geheuer. Vergeblich versuchte Angela Merkel vergangene Woche, ihren Verkehrsminister von der Präsentation seiner Maut-Pläne noch vor der Sommerpause abzubringen. Erst sollten die Bedenken der EU-Kommission ausgeräumt sein, dann sei im Herbst immer noch Zeit, mahnte Merkel.

Doch Minister Alexander Dobrindt (CSU) lässt sich nicht mehr bremsen bei seinem großen Projekt. Wenn auch die Koalition daheim und die EU-Kommission in Brüssel weiter skeptisch sind, für den CSU-Mann ist der Zeitpunkt optimal: Nie ist die Akzeptanz für die Pkw-Maut, die die Bundesbürger unterm Strich nichts kosten soll, größer als in der Sommerferienzeit.

Debatte bringt Ärger

Denn dann erleben Millionen deutscher Urlauber, wie sie in Österreich, Italien oder Frankreich für die Straßennutzung abkassiert werden. So wird Dobrindt Montagmittag seine Pläne vorlegen - und eine Debatte eröffnen, die der Koalition noch viel Ärger einbringen dürfte.

Immerhin, mit einigen Änderungen überrascht der Minister auch seine Kritiker. Anders als im Koalitionsvertrag vereinbart soll die Pkw-Maut nicht nur für die Autobahnen, sondern auch für alle Bundes-, Landes- und Kommunalstraßen gelten. Damit will Dobrindt verhindern, dass Autofahrer auf Schleichwege ausweichen. „Ein neuer Aspekt“, wundert sich SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol und verlangt eine Erklärung von Dobrindt.

Gestaffelte Abgabe

Überraschung zwei: Es wird keine Einheitsmaut geben, sondern eine nach Größe und Alter des Fahrzeugs gestaffelte Abgabe, die zwischen 20 und etwas über 100 Euro liegen wird. Im Grundsatz gilt: Pkw mit Ottomotor, die nach Juli 2009 zugelassen wurden, zahlen eine Abgabe von zwei Euro je hundert Kubikzentimeter Hubraum, bei 5000 ccm ist aber Schluss; bei einem Diesel sind es 9,50 Euro je 100 Kubikzentimeter, die Obergrenze liegt bei 1100 ccm.

Ist das Fahrzeug vor Juli 2009 zugelassen, wird auch die Euro-Schadstoffklasse berücksichtigt. Neben der gestaffelten Jahresmaut sind zwei weitere Vignetten geplant: Für zehn Tage soll sie 10 Euro kosten, für zwei Monate 20 Euro. Für die Jahresvignette dürften dagegen im Schnitt rund 60 bis 70 Euro anfallen, was den Kaufanreiz für Kurzzeit-Reisende aus dem Ausland erhöhen soll.

Belastung nur für Ausländer

Den deutschen Autofahrern können solche Details egal sein. Ihnen wird die Jahresvignette automatisch zugeschickt. Kostenneutral soll sie für die Bundesbürger sein, belastet werden nur Ausländer. Das hatte die Koalition zur Bedingung gemacht. Dobrindt will deshalb jetzt parallel die Kfz-Steuer so reformieren, das jede Mehrbelastung ausgeschlossen ist. Das macht die Sache aber, wie Kritiker befürchteten, kompliziert.

Rechenbeispiele: Für einen zwei Jahre alten VW Passat 5-Diesel mit 1968 Kubikzentimeter Hubraum waren bisher 242 Euro Kfz-Steuer im Jahr fällig - ab 1. Januar 2016 sinkt diese Abgabe auf 137,50 Euro, parallel wird eine Maut von 104,50 Euro fällig, macht unterm Strich wie bisher 242 Euro. Ein zehn Jahre alter Honda Jazz mit 1,4 Liter Hubraum kostet heute bei der Steuer 94,50 Euro - künftig würde dieselbe Summe als Maut erhoben, die Kfz-Steuer entfällt ganz.

EU hat Bedenken

Das komplexe System soll den Einwänden der EU-Kommission Rechnung tragen, die eine direkte Verrechung von Maut und Kfz-Steuer ablehnt. Wird die Kfz-Steuer aber umgestaltet und gesenkt, dann sei das eine nationale Angelegenheit, glaubt Dobrindt. Aber: Sein Versuch, sich vergangene Woche das Plazet von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas zu holen, scheiterte. Kallas hat weiter Bedenken, Fachleute sollen jetzt die Pläne prüfen.

Da bleiben auch die Koalitionspartner auf Distanz. Unionsfraktionschef Volker Kauder mahnte gestern eine „wasserdichte Lösung“ an. „Es kommt auf jedes Detail an“, gab sich auch SPD-Verkehrsexperte Bartol zurückhaltend. Dobrindt rechnet mit 800 Millionen Euro Einnahmen von ausländischen Autofahrern jährlich, nach Abzug der Kosten sollen 625 Millionen Euro übrig bleiben, die „“zusätzlich in den Straßenbau investiert werden.“

Grüne: Lohnt sich nicht

Besser als nichts, aber eigentlich müssten jährlich 4 bis 5 Milliarden Euro zusätzlich ins Straßennetz fließen. Wahrscheinlich liegen die Erhebungskosten deutlich höher, warnten Kritiker. „Auch finanziell lohnt es sich nicht“, warnt Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Der Großteil der Mehreinnahmen durch die Maut werde durch das neue „Bürokratiemonster“ verschlungen. Schon die Kontrolle, ob die richtige Vignette an der Windschutzscheibe klebt oder getrickst wird, dürfte aufwändig werden.

Hilfsweise sollen die Jahresvignetten je nach Gebührenklasse in drei unterschiedlichen Farben verkauft werden. Ob ausländische Pkw-Fahrer solche Feinheiten ohne Dolmetscher überhaupt verstehen, ist fraglich. Doch Dobrindt hat keine Wahl. CSU-Chef Horst Seehofer, der die Maut im Koalitionsvertrag gegen Bedenken von CDU und SPD durchgesetzt hatte, erwartet von seinem Getreuen entschlossenen Einsatz. Und von der Koalition auch. Die CSU habe Projekte wie Mindestlohn und Rente mit 63 unterstützt, jetzt müssten CDU und SPD auch die Maut unterstützen, forderte Seehofer gestern: „Ich fange bei der Maut nicht wieder bei Adam und Eva zu diskutieren an.“