Die Supermacht USA kennt keine Freunde, wenn es um die nationale Sicherheit geht. Die Jetzt-reicht‘s-aber-wirklich-Rhetorik, mit der Bundespräsident Gauck und andere auf der Wutwelle surfen, beeindruckt die Staaten nicht.

Wer das erste Jahr nach den Enthüllungen durch Edward Snowden ungesüßt rekapituliert, weiß: Die Vereinigten Staaten von Amerika rücken keinen Millimeter ab von ihrem Anspruch auf globale Vorherrschaft in der geheimdienstlichen Aufklärung. Dieser Doktrin wird im Lichte des 11. September 2001 alles untergeordnet. Kollateralschäden des Überwachungswahns sind eingepreist. Schmollende Verbündete sowieso. Nicht schön, aber seit langem wahr. Darum mutet der Grad der Entrüstung in Deutschland über den BND-Maulwurf fast grotesk an.

Was ist möglicherweise geschehen? Ein Geheimnisträger bietet Akten an. Die CIA greift zu und zahlt. Anstatt den "faulen Apfel" zu verpfeifen. Bei Herrschaftswissen hört die Freundschaft auf. Amerika will wissen, ob Ungemach vom Untersuchungsausschuss droht, der den NSA-Skandal unter die Lupe nimmt. Krisen-Prävention per Schlapphut. Das Normalste von der (Geheimdienst)Welt. Aus US-Sicht. Leider ist Agent 0815 eine Niete. Er will auch die Russen spicken. Die Chose fliegt auf. Berlin fühlt sich nach Merkels „Handygate“ erneut gedemütigt. Washington steht wieder als maßlos und dilettantisch da. Blamage überall. Blöd gelaufen. Aber ein beispielloser Tabubruch?

Was in Deutschland nun auch von notorischen Amerika-Liebhabern als kaum gut zu machender Sündenfall gegeißelt wird, ist nur Ausdruck einer Absurdität, der sich viele in Europa nach wie vor verweigern. Die Supermacht USA kennt keine Freunde, wenn es um die nationale Sicherheit geht. Jeder ist jederzeit verdächtig. Jeder. Darum hat Obama Merkel im Rosengarten des Weißen Hauses neulich alles versprochen - bis auf den Verzicht auf Spionage. Anstatt sich von den USA zu emanzipieren, argumentiert Deutschland mit Kategorien wie Vertrauen und Freundschaft. Und einem Argument, das bei unartigen Kinder schon nie zog: So was tut man nicht. Tut man doch. Und nun?

Die Jetzt-reicht‘s-aber-wirklich-Rhetorik, mit der Bundespräsident Gauck und andere auf der Wutwelle surfen, beeindruckt die USA nicht. Man kennt die kurze Halbwertzeit deutscher Verstimmtheit. Washington versteht nur eine Sprache: Taten. Edward Snowden in Berlin Asyl zu geben, wäre Antwort und Wagnis zugleich. Allemal wirkungsvoller als ohnmächtige Rufe nach Aufklärung und Abhilfe, von der alle Beteiligten schon jetzt ahnen: wird nicht passieren.