Essen. . Herkunft der Leihwagen, fremde Handynummern, Wetterlage, Nähe zur nächsten Autobahn: Daten wie diese werden in den Niederlanden schon genutzt, um attraktive Tatorte für reisende Einbrecherbanden zu identifizieren. In NRW plant das Innenministerium zwei Testläufe , um Verbrechen zu verhindern.

Die Polizei in NRW will den Kampf gegen die besorgniser­regend schnell steigende Zahl der Wohnungseinbrüche mit ungewöhnlichen Fahndungsmethoden verschärfen. In Duisburg und Köln will sie Ermittlungskonzepte testen, die aus Erfahrungen der Erdbebenvorhersage stammen und ­Voraussagen über bevorstehende Einbruchsserien und deren Tatorte möglich machen sollen.

Die Konzepte haben sich bereits in Amsterdam und Los Angeles, aber auch in Australien und Großbritannien bewährt und in einigen Stadtbereichen die Einbruchs­kriminalität um bis zu 25 Prozent gesenkt.

Beim „Predictive Policing“ werden in den Polizeidateien vorhandene Daten über bisherige Taten, Täter und Tatorte mit aktu­ellen Beobachtungen wie Wetter, Verkehrsbelastungen, Fahrzeug­bewegungen, Parkhausbelegungen und Telefonkarten-Nutzungen abgeglichen. Die Fahnder schließen aus regelmäßig auftretenden Übereinstimmungen, wo eine Bande in Zukunft zuschlagen könnte und nehmen die Täter dort im günstigsten Fall direkt in Empfang.

Vorbild: Nachbeben-Vorhersage

Berichte aus Kalifornien und der niederländischen Randstaad bestätigen die Funktionsfähigkeit des Systems. Das Los Angeles Police Department entwickelte die Technik gemeinsam mit Erdbebenforschern, die die Datenkniffe bei der Vorhersage von Nachbeben verwenden.

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Auf die Polizeiarbeit übertragen gelang es den Amerikanern mit diesem System, in einigen Stadtbereichen der Metropole L.A. diese Art der Kriminalität um ein Viertel zu reduzieren. In Amsterdam-Süd schaffte es die Polizei, Schauplätze bevorstehender Einbrüche auf ein Quadrat von 125 mal 125 Metern vorauszusagen und zu verhindern.

Geeignete Software fehlt bisher

„Wir stehen erst ganz am ­Anfang“, sagte Wolfgang Beus, der Sprecher des NRW-Innenministeriums in Düsseldorf, der WAZ. So beobachte man die Ergebnisse im Ausland, eine geeignete Software müsse noch gesucht werden.

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Aber taugliche Ansätze dafür gibt es bereits. Beus bestätigte, dass Tätergruppen an Rhein und Ruhr in der Vergangenheit mit Vorliebe Transportfahrzeuge genutzt hätten, die in Großbritannien und ­Irland angemeldet waren. Zugleich sollen die Täter mit Telefonkarten aus den baltischen Staaten kommuniziert haben.

Kriminaldirektor Dieter Schürmann erklärte, wie dann die Spur aufgenommen wird: „Stellen wir an einem Ort das gleichzeitige Aufkommen ausländischer Transportfahrzeuge und die Verwendung ebenso ausländischer Telefonkarten fest und das in regionalen Bereichen, die sich für mobile Einbruchstäter aufgrund ihrer Lage etwa in der Nähe von Autobahnen eignen“, könne man „besonders aufmerksam werden“.

Zwei Testgebiete in Duisburg und Köln

Es wäre der Traum der frustrierten Fahnder und einer zunehmenden Zahl verzweifelter Opfer von Wohnungseinbrüchen: Noch bevor die erste Brechstange zum Einsatz kommt, klicken Handschellen. Dank „Predictive Policing“ könnte die Polizei vorab sagen, wo die nächste Bande zuschlägt. Und ihr zuvorkommen.

In Nordrhein-Westfalen ist der Leidensdruck groß. Die Zahl der Wohnungseinbrüche an Rhein und Ruhr stieg 2013 weiter an auf insgesamt 54 953 Fälle – ein Plus von 1,5 Prozent. In den Vorjahren waren die Zahlen um bis zu sieben Prozent auf Höchststände explodiert.

In Duisburg, einem der Testorte, stieg die „Bruch-Quote“ auch im letzten Jahr um fünf Prozent, in Oberhausen um 18, in Gelsen­kirchen um 14 Prozent. In Köln, der anderen Teststadt, ging sie zwar etwas zurück. Hier erreichen die Taten aber mit 500 Fällen auf je 100 000 Einwohner Spitzenwerte.

Die Banden machen auch vor ländlichen Regionen keinen Halt: Der Kreis Olpe liegt mit 51 Prozent Plus landesweit vorn bei der Zunahme, auch im Kreis Wesel stieg die Fallzahl um 17,5 Prozent.

Datenschützer warnen vor flächendeckender Datensammelei

Vor allem aber fürchten Datenschützer: Es müssten gigantische Mengen von Daten gesammelt und ausgewertet werden. Unbeteiligte würden ohne Zweifel gerastert. „Das ist Steuerung der Gesellschaft per Datenauswertung“, schreibt der Blogger und Internet-Kritiker Sascha Lobo in „Spiegel Online“ zu den Plänen von NRW. „Das Problem ist, dass dafür überall überwacht werden muss, alle ­Nummernschilder, alle Handys, ­alle Mails, alle Bewegungen auf den Straßen.“

Grundsätzliche juristische Hürden sieht auch der Düsseldorfer Anwalt und Betreiber von „Lawblog“, Udo Vetter. „Ich habe Bedenken, dass dies auf der Basis der geltenden rechtlichen Grundlagen möglich ist“, sagte er dieser Zeitung. Beispiel: Die Funkzellenüberwachung zur Identifizierung von Handys sei nur bei der Verfolgung von Straf­tätern erlaubt, nicht aber zur Vorbeugung von Straftaten. Würden aber „unzählige Nutzer mit überwacht“, sei dies „verfassungswidrig“. Auch auf Mautdaten dürfe die Polizei ja nicht zugreifen.

„Wir verfolgen auch innovative Ansätze“

Das Innenministerium kennt die Einwände, der Sprecher Wolfgang Beus beruhigt: „Maßstab ist für uns das geltende Recht“, der Datenschutz spiele eine wichtige Rolle. Aber: „Unser Ziel ist es, alle zur Bekämpfung von Einbrechern gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen. Hierbei verfolgen wir auch inno­vative Ansätze. Es geht uns um die Sicherheit der Menschen“.

Der Sprecher des NRW-Datenschutzbeauftragten zeigte sich von den Plänen überrascht: „Dass dies auch in NRW überlegt wird, ist für uns neu.“