Düsseldorf. . Muss eine Schulministerin wissen, wie viel Unterricht an den Schulen des Landes ausfällt? NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann hielt dieses Wissen bislang für entbehrlich, was ihr allerdings harsche Kritik einbrachte. Nun kehrt das Ministerium zur landesweiten Erhebung der Ausfallzeiten zurück.

Nach vierjähriger Auszeit will NRW noch in diesem Jahr an den Schulen eine landesweite Erhebung zum Unterrichtsausfall durchführen. Gleichzeitig sollen Schulen anhand von positiven Beispielen konkrete Hilfestellungen erhalten, wie ein qualifizierter Vertretungsunterricht organisiert werden kann. Der Landesrechnungshof (LRH) hatte in einem Prüfbericht ermittelt, dass in NRW rund 5,8 Prozent des Unterrichts ersatzlos ausfallen.

Löhrmann hatte die Unterrichtsausfall-Statistik 2010 abgeschafft, weil sie die Daten nicht für aussagekräftig hielt. Nach der massiven Kritik der Opposition („Vogel-Strauß-Politik“) machte die Ministerin nun einen Rückzieher und kehrt zur Erhebung zurück.

Im Schulausschuss kündigte Löhrmann eine zusätzliche Qualitätsanalyse an, um den Ursachen des Unterrichtsausfalls auf den Grund zu gehen. Die FDP-Abgeordnete Yvonne Gebauer forderte eine „schulscharfe“ Erhebung des Unterrichtsausfalls zum Gegensteuern.

Angeblich sind 700 Lehrerstellen nötig, um Unterrichtsausfall zu erfassen

LRH-Präsidentin Brigitte Mandt stellte klar, dass vor einer Qualitätsdebatte zunächst die Daten für den Unterrichtsausfall erhoben werden müssten. Bisher habe es hier „unterschiedliche Auffassungen“ zwischen Rechnungshof und Ministerium über die positiven Effekte einer Datenerhebung gegeben. Der in einem Gutachten der Bochumer Professorin Gabriele Bellenberg geschätzte Aufwand von 700 Lehrerstellen für die Erfassung des Unterrichtsausfalls war für Mandt „nicht nachvollziehbar“.

Gebauer bezeichnete den hohen Unterrichtsausfall in NRW als „Katastrophe“. Der Vorsitzende der Lehrer-Gewerkschaft VBE, Udo Beckmann, verlangte, dass die Schulen durch eine Vertretungsreserve von mindestens acht Prozent in die Lage versetzt werden müssten, dem Unterrichtsausfall zu begegnen. SPD-Bildungsexpertin Renate Hendricks sieht die Schulen in der Verpflichtung, einen guten Vertretungsunterricht zu organisieren.

Krankenstand der Lehrerschaft ist von Lage der Schule abhängig

Auch aus Sicht der Gutachterin Bellenberg ist die Schulleitung in der Regel verantwortlich für erfolgreiche Vertretungskonzepte. Zudem würden Auswirkungen des Unterrichtsausfalls auf die Wissensentwicklung der Schüler häufig überschätzt. „Es gibt keine Schwelle, ab wann Unterrichtsausfall Nachteile bringt“, sagte Bellenberg. Weiter müsse geklärt werden, ob auch eigenverantwortliche Arbeit oder ein Vertretungsunterricht als Unterrichtsausfall zählen soll.

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Laut LRH hat fast die Hälfte des Unterrichtsausfalls schulorganisatorische Gründe. Professorin Bellenberg hat festgestellt, dass vor allem an Schulen in sozial schwierigen Lagen der Krankenstand der Lehrer besonders hoch ist. Ministerin Löhrmann warnte die Opposition vor einem „Schwarzer-Peter-Spiel“. Es gebe Schulen, an denen kein Unterricht ausfällt. Anhand guter Beispiele müssten Maßnahmen entwickelt werden für einen qualifizierten Vertretungsunterricht, sagte Löhrmann. „In der Qualitätsfrage ist Musik drin.“