Berlin. . Ex-Bundespräsident Christian Wulff rechnet ab. In seinem Buch „Ganz oben, ganz unten“ macht er der Justiz in Hannover und einigen Medienvertretern schwere Vorwürfe. Ein Anfangsverdacht wegen Vorteilsnahme sei ein Produkt der Medienberichterstattung gewesen. Heute ist Wulff wieder in der CDU aktiv.

Zwei Jahre hat sich Christian Wulff Zeit gelassen, dies ist für ihn die Stunde der Abrechnung. „Ganz oben, ganz unten“, heißt sein Buch über seinen in Deutschland einmaligen Absturz, aber ganz so schlimm ist es dann doch nicht.

Der 54-jährige ehemalige Bundespräsident lächelt, als er zur Buchvorstellung ans Mikrophon tritt, er ist braun gebrannt, der Anzug sitzt perfekt, nur ein paar tiefe Falten im Gesicht und das graue Haar lassen ahnen, das hinter ihm „die zwei schlimmsten Jahres meines Lebens“ liegen.

Er sei „jetzt ohne Groll“, versichert Wulff, sein Buch sei keine Abrechnung, sondern ein Diskussionsangebot über etwas, was er „eine gestörte Machtbalance zwischen Politik, Justiz und Presse“ nennt. Darüber solle man nun „ganz entspannt“ diskutieren.

Unversöhnliche Attacke gegen Justiz, Medienmacher und mutlose Politik

Doch was der Ex-Präsident während der einstündigen Buchvorstellung vorträgt, ist dann doch eine scharfe, unversöhnliche Attacke gegen die Justiz in Hannover, gegen einige Medien und gegen eine mutlose Politik - mit einem ziemlich einfachen Fazit: Sein Rücktritt als Präsident im Februar 2012 sei „falsch“ gewesen. „Ich wäre auch heute der Richtige im Amt“, sagt Wulff.

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Zwar habe er „natürlich auch Fehler gemacht“, räumt das ehemalige Staatsoberhaupt ein: Er habe etwa zu wenig Distanz gewahrt, hätte als Präsident keinen Urlaub beim Unternehmer Carsten Maschmeyer verbringen dürfen. Und dass er später dem Bild-Chefredakteur Kai Diekmann auf die Telefon-Mailbox sprach, sei eine „Riesen-Dummheit“ gewesen.

Verfolgt durch die Springer-Presse

Aber dennoch: Sein Fall sei „ein rechtspolitisch hoch problematischer Vorgang“, der sich nie wiederholen dürfe. Zum einen wirft Wulff der Staatsanwaltschaft Hannover vor, sie hätte wegen des Verdachts der Vorteilsnahme niemals einen Antrag auf Aufhebung seiner Immunität stellen dürfen, was unweigerlich zu seinem Rücktritt führen musste. Denn: „Es gab keinen Anfangsverdacht.“ Die Justiz sei nur auf Druck der Medien tätig geworden, klagt Wulff.

Und das ist Kritikpunkt Nummer zwei: Medien und Justiz hätten sich die Bälle zugespielt. An dieser Schnittstelle liege eine ernst zu nehmende Gefahr für die Demokratie. Denn, Vorwurf Nummer drei: Der Springer-Konzern habe ihn von Beginn seiner Präsidentenzeit „verfolgt“. Teils sei dies aus Verärgerung geschehen, weil er die „Bild“-Zeitung auf Distanz gehalten habe und sich nicht länger „dem Medienzirkus“ ausliefern wollte. „Ich wollte für Kai Diekmann nicht Guttenberg II geben“, schreibt Wulff.

Zum anderen habe man ihm bei Springer und auch bei anderen bürgerlichen Medien sein Eintreten für die Integration von Zuwanderern übel genommen - vor allem sein präsidiales Wort vom Islam, der zu Deutschland gehöre. In der Wahl der Mittel „zu meiner Bekämpfung“ habe Springer „kein Pardon gekannt.“ Als Bundespräsident habe er sich aber nicht wehren können. Und, so klagt Wulff: In der Politik habe man ihn gegen das, was er „Jagd“ bezeichnet, auch nicht verteidigt.

„Deutschland kann stolz sein auf seinen Qualitätsjournalismus“

Es sind harte Vorwürfe, aber Wulff bemüht sich, nicht verbittert zu klingen. Und er stellt auch klar, dass er nicht „die Medien“ angreifen wolle, Deutschland könne vielmehr stolz auf seinen Qualitätsjournalismus sein. Doch über die Auswüchse müsse diskutiert werden. Der - noch nicht rechtskräftige - Freispruch im Korruptionsverfahren hebe die mediale Vorverurteilung nicht auf.

Sein Buch ist daher Teil eines umfassenden Plans, mit „wieder hergestellter Ehre“ in die Öffentlichkeit zurückzukehren. Seit drei Monaten arbeitet Wulff als Rechtsanwalt, er ist wieder aktives Mitglied der CDU. „Ganz unten“ sieht sich Wulff schon nicht mehr, er sei „auf dem Weg nach oben“ zu einem „anerkannten Mitglied der Gesellschaft“. Das Buch, sagt Wulff, sei da für ihn „persönlich ein Neuanfang.“