Hannover. . Ex-Bundespräsident Christian Wulff ist vom Korruptionsvorwurf freigesprochen worden. Das Gericht hielt die Indizien für zu schwach. Dabei versuchte die Staatsanwaltschaft noch in letzter Minute, den Freispruch zu verhindern. Wie es mit seiner Zukunft weitergeht, ließ Wulff offen.

Ende eines historischen Prozesses: Das Landgericht Hannover hat Ex-Bundespräsident Christian Wulff vom Vorwurf der Vorteilsannahme freigesprochen. Er soll außerdem eine Entschädigung erhalten, deren Höhe noch festgestellt wird.

„Ich bin natürlich sehr erleichtert. Das Recht hat sich durchgesetzt. Nun kann ich mich wieder der Zukunft zuwenden“, sagte Wulff nach dem Urteil vor dem Gerichtsgebäude. Die Staatsanwaltschaft kann allerdings noch Revision einlegen.

„Es gibt schlicht keine schlagkräftigen Beweise“, sagte Richter Frank Rosenow in seiner Urteilsbegründung. Der wegen Vorteilsgewährung mitangeklagte Filmunternehmer David Groenewold hatte Wulff im Herbst 2008 zu einem Besuch des Oktoberfestes in München eingeladen und dabei Hotel- und Essenskosten für Wulff übernommen.

Gesamtwert: Rund 700 Euro. Zudem zahlte Groenwold einen Babysitter für Wulffs kleinen Sohn. Eine Einladung in ein Festzelt auf dem Oktoberfest bewertete das Gericht als unproblematisch: Es habe eine „geübte Praxis von Einladungen und Gegeneinladungen“ zwischen den Freunden Wulff und Groenewold gegeben.

Gedankenlosigkeit und Großmannssucht

Dass Groenewold 400 Euro von Wulffs Hotelkosten übernahm, ohne dass Wulff dies seinerzeit mitbekam, sei nicht zu widerlegen, so der Richter. Das Gericht sieht es auch nicht als erwiesen an, dass Wulff sich bei Siemens-Chef Peter Löscher für ein Filmprojekt Groenewolds einsetzte, weil Groenewold Wulff eingeladen hatte. Für den Nachweis einer Unrechtsvereinbarung zwischen Groenewold und Wulff reichten die Indizien aber keineswegs aus.

Wulffs Erklärung, er habe bar nachgezahlt, sei plausibel, sagte der Richter. Aufgrund dienstlicher Termine hätte Wulff auch teure Hotelkosten geltend machen können, heißt es. Und warum zahlte Groenewold überhaupt für Wulff? Wohl aus Gedankenlosigkeit und Großmannssucht, sagt der Richter.

Laut Gericht hatte sich der damalige Ministerpräsident im Umfeld der privaten Reise zwei kurze dienstliche Termine in München besorgt, so dass er die Hotelkosten abrechnen konnte. Wulff trat kurz auf einer CSU-Kundgebung auf, zudem will er mit dem Verleger Hubert Burda über Medienpolitik gesprochen haben. „Bitte klassifizieren Sie den Freispruch nicht. Es gibt nur schuldig oder unschuldig“, mahnte Rosenow. Zu Spekulationen über seine Zukunft äußerte sich Wulff nicht.

Für Wulff gibt es jetzt wieder ein Stück Normalität 

Ein Stück Normalität, endlich. Er werde jetzt zusammen mit seiner Tochter seinen Sohn vom Kindergarten abholen, kündigt Christian Wulff an. 30 Minuten nach der Urteilsverkündung ist der Ex-Bundespräsident vor das Gerichtsgebäude in Hannover getreten, um eine kurze Erklärung abzugeben. Und damit jeder das Urteil auch richtig einordnet, treten ganz kurz auch Wulffs Rechtsanwälte noch einmal in Aktion. Das Urteil sei eine Ehrenerklärung gewesen, betonen sie.

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In sicherer Erwartung eines Freispruchs sind Wulff und seine Anwälte ein letztes Mal im Gerichtssaal eingetroffen. Wulff, an früheren Verhandlungstagen oft blass, sieht erholt aus. Um 10.47 Uhr verkündet Richter Rosenow dann den Freispruch. Zuschauer- und Presseplätze im Landgericht sind voll belegt, auch Wulffs Tochter Anna-Lena ist unter den Zuhörern.

„Es entwickelte sich eine private Freundschaft“

Zwar habe der Filmunternehmer David Groenewold den Kontakt zu Wulff durchaus gesucht, damit der sich für Interessen Groenewolds einsetze. „Es entwickelte sich eine enge, private Freundschaft“, erklärt der Richter. So hatten auch Wulffs Verteidiger Einladungen Groenewolds an Wulff als grundsätzlich rein freundschaftlich und privat eingestuft.

Groenewold war Wulff in der Tat auch in heikler Mission zu Diensten: Als der noch verheiratete Ministerpräsident diskrete Kontakte zu seiner späteren Frau Bettina pflegen wollte, besorgte ihm der Freund ein Handy, wie der Richter hervorhebt.

Dass Groenewold Wulff ins „Käfer“-Festzelt beim Oktoberfest einlud, wo die Gruppe von knapp zehn Personen mit „Tatort-Kommissarin“ Maria Furtwängler und Verleger Hubert Burda eine Rechnung von mehr als 3200 Euro machte, das sei „geübte Praxis“, sagt Richter Rosenow.

Und was war mit der Lederhose?

Nicht erwiesen ist für das Gericht auch, dass das Ehepaar Wulff mit Groenewold am ersten Abend in München für 209,40 Euro aß. Rosenow hat sogar die Beweisaufnahme noch einmal kurz eröffnet, weil die Staatsanwaltschaft ein Handy-Foto mit Wulff in Lederhosen als Beweis dafür sieht. Ihm sei nun doch eine Erinnerung daran gekommen, sagt Wulff nun kurz vor dem Urteil. Groenewold habe ihn im Hotelzimmer besucht. Er habe dann wohl die Lederhose anprobiert.

Für das Urteil spielte das alles keine Rolle mehr. „Es gibt schlicht keine weiteren schlagkräftigen Beweise gegen die Angeklagten“, meint Rosenow. Und Wulff? „Ich danke den Menschen, die mir in den vergangenen zwei Jahren beigestanden haben“, sagt er nach der Verhandlung. Angeblich will Wulff wieder als Anwalt arbeiten – laut Spekulationen mal für eine Wirtschaftskanzlei, dann in einer Kanzlei, die „Richtung Türkei“ agieren wolle. Wulff selbst äußerte sich dazu nicht.