Essen. . Viele Schüler entfliehen tagtäglich mit ihren Smartphones in virtuelle Welten. Zudem ist Cyber-Mobbing ein großes Problem an den Schulen in NRW geworden. Darum wollen Schulen in NRW Handys nicht nur im Unterricht, sondern auch in Pausen verbieten. Die Kinder sollen wieder mehr miteinander spielen.
Immer mehr Schulen in NRW führen strenge Handy-Verbote ein. Ein Soester Gymnasium hat gerade beschlossen, die Nutzung von Mobiltelefonen und internetfähigen Smartphones nicht nur im Unterricht zu untersagen, sondern auch in den Pausen auf dem Schulhof.
Ähnliche Beschlüsse gibt es in Siegen, in Altena und vielen Städten des Ruhrgebietes. Die meisten Eltern und Lehrer begrüßen die Verbote. Die Landesregierung vermeidet eine klare Empfehlung. „Über die Regeln für den Umgang mit Handys bestimmt vor Ort die Schulkonferenz selbst“, sagte eine Sprecherin von Ministerin Löhrmann (Grüne).
Schüler spielen nicht mehr
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Am Soester Conrad-von-Soest-Gymnasium ist es die Schulleitung leid, dass der Schulhof kaum noch zum Spielen genutzt wird. Viele Schüler entfliehen mit ihren Smartphones in virtuelle Welten, die neuesten Handy-Apps bestimmen ihren Alltag. Auch vormittags. Sie starren auf die leuchtenden Displays, sie meiden sonnige Orte, um die Schrift auf ihrem Smartphone besser entziffern zu können.
Damit soll bald Schluss sein, denn die Schulkonferenz will die Nutzung von Smartphones in den Pausen untersagen. Künftig sollen Schüler der Klassen 5 bis 9 ihre Mobiltelefone vor dem Betreten des Schulgeländes ausschalten. Für Oberstufenschüler gilt diese Regelung nicht, für sie werden spezielle „Handyzonen“ eingerichtet.
Ausnahme für die Oberstufe
Die Marienschule in Lippstadt ist da schon ein bisschen weiter. Seit dem Schuljahr 2013/14 trägt sie das selbstverliehene Prädikat „Handyfreie Schule“. „Seit diesem Schuljahr sieht man auf dem Schulgelände kein Handy mehr, die Schüler nutzen ihre Zeit sinnvoller. Es wird mehr geredet, gespielt und getobt“, erklärt Schulleiterin Ute van der Wal. Für die Oberstufenschüler wurden sogenannte „Handyzonen“ eingeführt, in denen sie ihr Smartphone nutzen dürfen.
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Das Burggymnasium Altena handhabt es ähnlich. Auf Beschluss der Schulkonferenz wurde das Schulgelände zur „Handyfreien Zone“ ausgerufen. Das Hauptproblem mit den technischen Alleskönnern sei aber ein anderes: Cyber-Mobbing. Die Fähigkeit, auf die Schnelle zu fotografieren oder zu filmen und darüber hinaus diese Werke noch ins Internet zu stellen, böte den Schülern eine besonders effektive Möglichkeit, einander zu hänseln. „Damit schützen wir einerseits die Opfer, andererseits aber auch unsere Schüler davor, zum Täter zu werden“, klärt der kommissarische Schulleiter Hans-Ulrich Holtkemper auf.
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Laut Ralf Leisner, dem Vorsitzenden des Landeselternschaft der Gymnasien in NRW, führt vor allem Cyber-Mobbing dazu, dass Handynutzungsregeln den Einzug in die Hausordnungen zahlreicher Schulen fänden. Das sei auch ein Grund, warum Oberstufenschüler mehr Freiheiten als ihre jüngere Schulkollegen genießen. Denn „Cyber-Mobbing ist eher ein Phänomen der 7. bis 9. Klassen“, weiß Leisner. Schüler höherer Klassen gehen respektvoller miteinander um. Allerdings zieht der Vorsitzende auch die Eltern mit in die Verantwortung. „In den Eltern sollten die Schulen einen starken Verbündeten haben, der auf eine sinnvolle Handynutzung der Kinder achtet“, so Leisner.
Experte: Verteufelung bringt nichts
Eine restriktive Handhabe ist auch für Markus Köster, dem stellvertretenden Leiter der Medienberatung NRW, völlig legitim. Vor reinen Verboten warnt der Professor jedoch: „Mit einer Verteufelung von Handys kommen wir definitiv nicht weiter.“ Die Pädagogen der Medienberatung setzen vor allem auf einen bewussten und kritischen Umgang aller Beteiligten, schließlich gehörten Mobiltelefone spätestens bei Zwölfjährigen zum Alltag. Obwohl technisch absolut fit, so offenbarten Minderjährige doch gerade bei Themen wie Cyber-Mobbing eine erstaunliche Naivität. Auch gefährliche Inhalte wie Gewalt- oder Sexmedien werden oftmals über die mobilen Geräte verbreitet, geben die Medienberater zu Bedenken.
Schüler sagen: Smartphone gehört zum Leben
Nicht die Tabuisierung, sondern die Thematisierung dieser Probleme sei die Lösung. Kinder müssten den kompetenten Umgang mit Smartphones erlernen, Eltern auch für empfindliche Themen sensibilisiert werden. „Auch der Buchdruck wurde bei seiner Einführung kritisch begutachtet, bevor man seine Chancen richtig bewertete“, sagt Köster .
Die Landesschülervertretung (LSV) hält ebenfalls nichts von einem Handy-Totalverbot an den Schulen. LSV-Vorstandsmitglied Tom Josten („An meiner Schule in Köln ist so ein Verbot gerade wieder gelockert worden“) sieht in diesen harten Einschränkungen den Versuch, „Schülern die Fähigkeit abzusprechen, selbst beurteilen zu können, wie ein Smartphone zu benutzen ist.“
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Der Umgang mit Mobiltelefonen sei Teil der Lebenswirklichkeit junger Menschen. „Das ist für viele Normalverhalten“, erklärt Josten. Also solle die Schule den Schülern vor allem den richtigen Umgang mit diesen Medien beibringen und diese nicht komplett verbieten. Es gebe Lehrer, die überhaupt keine Ahnung davon hätten, wie wichtig das Handy heute ist.
Regierung denkt über Fach "Internet" nach
Damit Kinder den richtigen Umgang mit dem Netz lernen, kann sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Einführung eines Fachs „Internet“ vorstellen. Dies ist aber für die rot-grüne Koalition in NRW kein Thema. „Wir können die Stundentafel nicht einfach ausweiten“, sagte SPD-Schulexpertin Renate Hendricks, „das würde zulasten anderer Fächer gehen.“ Auch das Schulministerium wies die Forderung zurück. SPD und Grüne verwiesen darauf, dass Wissen über die Nutzung moderner Medien und Datensicherheit in möglichst vielen Fächern vermittelt werden müsse.
Vor allem das von Rot-Grün beschlossene Fach für Verbraucherbildung und Ernährung, so Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Sigrid Beer, soll Schüler über Risiken im Internet oder beim Abschluss von Handy-Verträgen aufklären. Das neue Fach wird derzeit erprobt und löst das Fach Hauswirtschaft ab.