Berlin. . Der Bundesnachrichtendienst will transparenter werden: Nach jahrelanger Geheimniskrämerei bringt der BND ein Behördenschild an einer Kaserne an, in der eine Abhörstation untergebracht ist. Aber die Öffentlichkeitsoffensive beschränkt sich nicht auf ein Schild.

Was viele schon lange vermutet haben, ist jetzt offiziell: Die als Bundeswehreinrichtung getarnte Abhörstation im oberbayerischen Bad Aibling ist eine Außenstelle des Bundesnachrichtendienstes (BND). Der deutsche Auslandsgeheimdienst nutzt die Anlage für die Aufklärung von Telekommunikation aus aller Welt. BND-Präsident Schindler nutzt die Gelegenheit für eine Transparenz-Initiative.

Ab Donnerstag ist Schluss mit der Geheimniskrämerei, zumindest in Bad Aibling. Dort wird Gerhard Schindler an der Mangfall-Kaserne ein neues Behördenschild anbringen: "Bundesnachrichtendienst". Es ist die Enttarnung der eigenen Abhörstation. Der BND-Präsident versteht es als Vertrauensarbeit. "Was fehlt, ist offensichtlich mehr Transparenz", erkannte er. Mehr Zugluft kann dem viel gescholtenen Dienst nur guttun.

Souvenirladen mit BND-Merchendising nach NSA-Vorbild

Das Ende des Versteckspiels ist nicht auf Bad Aibling begrenzt. Es ist Teil einer Strategie. Dazu gehört ein neuer Webauftritt, der Aufbau eines Besucherzentrums an der künftigen BND-Zentrale in Berlin, womöglich mit Souvenirladen. Früher gab es immerhin Kochbücher mit dem Titel "Top(f) Secret", Flip-Flops, die das Wort "Secret" als Abdruck im Sand hinterlassen, oder Schlüpfer mit dem Aufdruck "Nur für den Dienstgebrauch". Die USA sind beim "Merchandising" das Vorbild. Die NSA unterhält überdies ein Museum.

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Ein Beleg für die neu geübte Offenheit sind die regelmäßigen Hintergrundberichte für Journalisten sowie die Flut der Briefings für die Parlamentarier (in diesem Jahr schon 100 Mal), dazu die Enttarnung von sechs Dienststellen, die bisher mit einer Legende versehen waren. Man müsse "Ballast" abwerfen. "Und das können wir auch", meint Schindler.

Vorher nur "Fernmeldeweitverkehrsstelle der Bundeswehr"

In Bad Aibling firmierte man bisher als "Fernmeldeweitverkehrsstelle der Bundeswehr" und in Rheinhausen etwa als "Ionosphäreninstitut". Für die Liegenschaften in Schöningen, Gablingen, Söcking und Stockdorf gilt künftig ebenfalls: Wo der BND drin ist, da steht auch BND drauf.

Der Geheimdienst verzichtet deshalb nicht auf jede Legende. Schindler will sich nur nicht lächerlich machen, nachdem viele Tarnadressen schon im Internet zu lesen waren, ob es sich nun um das "Amt für Schadensabwicklung" oder um die "Koordinierungsstelle für Wehrtechnik" handelte. Insbesondere war es im Zuge der NSA-Affäre ein offenes Geheimnis geworden, dass der BND in Bad Aibling – zusammen mit amerikanischen Abhörexperten – einen Horchposten unterhält.

Tarnnamen für die Mitarbeiter - zum Selbstschutz

Andere, bisher unbekannte Tarnadressen, vor allem im Ausland, werden weitergeführt. Und selbst dort, wo künftig "BND" am Gebäudeschild prangt, können die Mitarbeiter die Legende auf ihrer Visitenkarte weiter führen; schon zum Selbstschutz, um sich nicht gegenüber Nachbarn und Bekannten oder im Sportverein als "Spion" zu enttarnen.

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Abgeschafft werden zum Teil auch Tarnnamen; die Pressestelle hatte schon Mitte der 90er-Jahre damit aufgehört. Aber prinzipiell tragen Mitarbeiter einen Decknamen. Man kann das für ein Relikt aus dem Kalten Krieg halten, aber es ist vielen wichtig – zum einen aus Sicherheitsgründen, zum anderen aus Sorge ums persönliche Ansehen. Schon die Frage, wann man seinen Kindern erzählt, dass man beim Geheimdienst arbeitet, ist keineswegs trivial. "Ich habe gewartet, bis sie in der Pubertät waren", erzählt ein BND-Mitarbeiter. Auch dort, wo das Amt Tarnnamen nicht mehr für nötig hält, können die Betroffenen sie aber auf eigenen Wunsch weiter führen.

Erste Frau als BND-Abteilungsleiterin "Eigensicherung"

Die Frage ist, ob dies auch für Silvia Reischer gilt, die seit Montag die Abteilung Eigensicherung führt, die unter anderem für die Gewinnung von Mitarbeitern zuständig ist. Es ist ein sensibles Feld, noch vor wenigen Jahren wäre gerade diese Personalie unter höchster Geheimhaltung über die Bühne gegangen. Schindler aber wird Reischer – auch eine Neuerung – heute öffentlich in Berlin vorstellen.

Sie ist die erste Abteilungsleiterin in der Geschichte des Geheimdienstes; so weit hatte es bisher noch keine Frau geschafft. Die treibende Kraft ist der BND-Präsident. "Die Öffentlichkeit ist nicht hinreichend darüber informiert, wie genau wir arbeiten", klagt er seit Langem, schon vor der NSA-Affäre. Sie hat noch mal klargemacht, wie dringend die Transparenz-Offensive ist.