Berlin. Zeugnisnoten für Fleiß und Respekt, Sitzenbleiben bei schlechten Leistungen: Die Deutschen schätzen traditionelle Erziehungswerte und wünschen sich leistungsorientierte Schulen. Doch es gibt auch Bildungsexperten, die die Umfrage anzweifeln: Sie sagen, sie gründe auf Stammtisch-Wissen.
In einer bundesweiten Umfrage wünschten sich rund 80 Prozent der Bundesbürger, dass das Sozialverhalten der Schüler - Ordnung und Leistungswille, Betragen und Eigenverantwortung - in Form von „Kopfnoten“ im Zeugnis bewertet wird. Zudem sollten schlechte Leistungen mit Sitzenbleiben bestraft werden. Die rot-grüne Landesregierung in NRW hatte die Kopfnoten 2010 wieder abgeschafft. Sitzenbleiben dagegen ist zwar weiterhin möglich, die Lehrer an Rhein und Ruhr sind aber aufgefordert, alles zu tun, um das zu verhindern.
In der Umfrage im Auftrag der CDU/CSU-Fraktionschefs der 16 Länder hatte das Insa-Institut 2000 Erwachsene befragt. Jeder Vierte hatte selbst schulpflichtige Kinder, jeder Fünfte Enkelkinder. Die Umfrage zeige, dass die Bundesbürger keine weiteren Reformen, sondern vor allem mehr Qualität im bestehenden System forderten, so die CDU-Politikerin Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz. „Die Deutschen sind keine Revolutionäre, wenn es um das Schulsystem geht.“
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Welcher Befragte kennt die Situation an den Schulen?
In den Augen der Befragten gibt es in Bayern die beste Schulbildung, es folgen Baden-Württemberg, Sachsen, Thüringen. Nur zwei Prozent sehen NRW an der Spitze.
Der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm hat allerdings Zweifel, ob die Befragten die Lage an den Schulen überhaupt realistisch einschätzen. Jeder zweite Befragte war älter als 50 Jahre: „Die eigenen Erfahrungen mit der Schule sind da oft schon lange her. Viele Forderungen kommen offensichtlich aus dem hohlen Bauch und gründen auf Stammtisch-Wissen.“
Wie überprüft man eine Kopfnote?
Den Wunsch nach Kopfnoten jedoch versteht Klemm: „Erziehung, die auf Pünktlichkeit, Ordnung, Verlässlichkeit zielt, ist gut.“ Als pädagogisches Instrument aber seien Kopfnoten problematisch. Die Bewertungen könnten schnell willkürlich werden - es gebe keine Kontrollmöglichkeiten wie bei Mathe-Noten. Auch beim Sitzenbleiben mahnt Klemm, genauer hinzuschauen: „Eine Klasse zu wiederholen, um sicherer im Stoff zu werden, ist plausibel - aber nur auf den ersten Blick. Wir wissen aus zahllosen Studien, dass die Mehrheit der Sitzenbleiber das Ziel, wieder Anschluss zu finden, nicht erreicht.“