Astana. Von einer “Sensation“ sprechen Moskaus Staatsmedien, von einem “historischen Moment“ reden Kremlchef Putin und seine Kollegen aus Kasachstan und Weißrussland. Ihr frisch geschmiedetes Bündnis soll keine neue Sowjetunion werden - aber an die alte Größe erinnern - und die Wirtschaft ankurbeln.
Eine neue Sowjetunion wie zu Zeiten des Kalten Krieges soll die Eurasische Wirtschaftsunion nicht werden. Das beteuern ihre Gründungsväter - Kremlchef Wladimir Putin, der als letzter Diktator Europas gescholtene weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko und Kasachstans autoritärer Staatschef Nursultan Nasarbajew - beinahe im Chor. Doch für viele im Westen sieht es genau danach aus, dass unter Führung Moskaus mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der totalitären Sowjetunion nun ein neues Imperium entstehen soll.
Der Phantomschmerz über den Verlust des Großmachtstatus sitzt vor allem in Russland tief - daher nun auch diese Antwort auf den vor allem in der Ukraine-Krise als Vormachtstreben kritisierten Kurs der Europäischen Union. Ziel der mit einem 700 Seiten dicken Vertrag besiegelten Gemeinschaft sei der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Arbeitskräften, beteuern die Gründungsväter - vielleicht künftig auch eine Währungsunion.
Wirtschaftliches Vorbild ist die EU
Auch Kasachen und Weißrussen beherrschten Russisch, das sei ein wichtiges Bindeglied, meint Putin. Die Troika wolle vor allem wirtschaftliche Vorteile maximal nutzen - auch die aus kommunistischen Zeiten noch bestehenden Transportwege und Industrieanlagen. Dass die Technik vielerorts hoffnungslos veraltet, die Infrastruktur marode und die Bürokratie extrem korrupt ist, erwähnt der Kremlchef aber am Tag des Triumphes in Astana nicht.
Hier geht es nur um die Vorzüge eines neuen Binnenmarktes mit 170 Millionen Verbrauchern. Die aus der Steppe gestampfte, schillernde neue kasachische Hauptstadt ist nicht zufällig gewählt für die Unterzeichnung der Gründungsurkunde für die Wirtschaftsorganisation, wie Gastgeber Nasarbajew die neue Union nennt. Astana ist eine Art Dubai - voller Glitzerbauten der berühmtesten Architekten der Welt, die seit Jahren an den Petrodollars des öl- und gasreichen Landes gut verdienen.
Die politischen Signale sind bei der feierlichen Zeremonie mit Hunderten Gästen unübersehbar. Das Bündnis solle auch die Erfahrungen der Europäischen Union nutzen, sagt Nasarbajew. Solche Integrationsprozesse sollen nicht nur die Wirtschaft entwickeln, sondern zum Wohlstand der Bürger führen. So sollen die Menschen wie in der EU nun auch frei ihren Ausbildungs- und Arbeitsort wählen können - was es in der UdSSR nicht gab.
Die Ängste vor einer russischen Vormachtstellung sind groß
Das internationale Interesse an der Eurasischen Union sei enorm, sagt Putin in Astana. Aber er wundere sich, wie er bei einem Treffen mit Vertretern internationaler Nachrichtenagenturen, darunter auch dpa, unlängst meinte, dass die EU den Verbund "absichtlich" meide. "Brüssel sieht in diesen Integrationsprozessen offenkundig eine Bedrohung seiner Konkurrenzfähigkeit", sagt Putin. Er weist zurück, dass er an der Wiedererrichtung eines Imperiums nach dem Vorbild der Sowjetunion arbeite. Das sei ein "politisches Klischee", das nichts mit der Wirklichkeit zu tun habe, sagt er.
Das dürften auch Lukaschenko und Nasarbajew von ihm hören wollen. Die autoritären Politiker betonen, die von Moskau vorangetriebene Union dürfe die vor zwei Jahrzehnten erkämpfte Unabhängigkeit ihrer Länder nicht gefährden. Angesichts des Konflikts in der Ukraine, die im Machtkampf mit Russland zuletzt die Schwarzmeerhalbinsel Krim verlor, sitzen die Ängste vor einer neuen Vormachtstellung Moskaus tief.
Gern hätte Putin auch die Ukraine in die neue Union eingebunden. Doch das Projekt scheiterte mit der proeuropäischen Revolution in Kiew, wo die neue Führung nun Kurs auf die EU nimmt. Der Kampf um Macht und Einfluss zwischen dem Westen und Russland im postsowjetischen Raum geht indes weiter. Rasch will die Eurasische Wirtschaftsunion nun die Ex-Sowjetrepubliken Armenien und Kirgistan aufnehmen.
Russische Medien bejubelten die Unionsgründung als "Sensation mit globaler Bedeutung" und "Ereignis des Jahres" zumindest in diesem Teil der Welt. Ob und wie die Union mit Leben gefüllt wird, bleibt abzuwarten. Längst haben die Gründungsväter auch ein Auge auf eine engere Zusammenarbeit mit China, Vietnam und anderen Staaten geworfen. (dpa)