Bangkok. . Vor einigen Tagen war bereits das Kriegsrecht verhangen worden. Nun hat die Armee in Thailand komplett die Macht ergriffen. Die Versöhnungsgespräche zwischen den zerstrittenen politischen Lagern seien gescheitert, teilte Armeechef Prayuth Chan-ocha am Donnerstag mit.

Nach monatelangen politischen Turbulenzen hat die Armee in Thailand die Macht übernommen. Die zerstrittenen politischen Parteien seien nicht zu einer Einigung gekommen, berichtete Armeechef Prayuth Chan-ocha in einer am Donnerstag kurz nach 17 Uhr (Ortszeit) im Fernsehen übertragenen Rede.

Prayuth hatte bereits am Dienstag das Kriegsrecht verhängt. Er hatte am Mittwoch und Donnerstag vergeblich versucht, die zerstrittenen politischen Lager zu Kompromissen und einer einvernehmlichen Lösung über die politische Zukunft zu bewegen.

Die Regierung bestand auf baldigen Neuwahlen, die Opposition wollte einen ungewählten Rat, der die Regierungsgeschäfte übernehmen sollte. Eine außerparlamentarische Opposition versucht seit November, die Regierung mit Massenprotesten und Blockaden zu stürzen.

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Von Willi Germund

Verfassung außer Kraft

Das Militär setzte unmittelbar nach der Machtübernahme die Verfassung außer Kraft und verhängte im ganzen Land eine nächtliche Ausgangssperre. Internationale Fernsehsender wurden blockiert. Die Armeeführung forderte die bisherige Führungsriege auf, sich in die Hände der Sicherheitskräfte zu begeben. Zugleich sicherte sie zu, "alle Ausländer in Thailand zu schützen".

Hintergrund des Putsches ist ein Machtkampf zwischen dem Regierungslager und seinen Gegnern. Das "Demokratische Reformkomitee des Volkes" (PDRC) versucht seit November, die Regierung mit Massendemonstrationen in die Knie zu zwingen. Sie wirft ihr Verschwendung, Korruption und Machtgier vor und sieht den 2006 gestürzten Regierungschef Thaksin Shinawatra als Wurzel allen Übels. Dieser lenkt die Regierungspartei aus dem Exil.

Auswärtiges Amt rät zu erhöhter Wachsamkeit

Außenminister Frank-Walter Steinmeier verurteilte die Machtübernahme des Militärs und forderte die Armee zu größter Zurückhaltung auf. "Die Verantwortlichen müssen umgehend zu einem politischen Prozess zurückkehren", sagte Steinmeier in Berlin. Zentral seien rasche Neuwahlen. Außerdem müssten die verfassungsrechtlichen Grundfreiheiten garantiert werden. Frankreichs Präsident François Hollande verlangte in Paris, das Land müsse sofort zu einer verfassungsmäßigen Ordnung zurückkehren.

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Das Auswärtige Amt in Berlin empfahl Reisenden nachdrücklich, Demonstrationen und Menschenansammlungen in ganz Thailand zu meiden, und riet zu erhöhter Wachsamkeit. Bislang verlaufe das öffentliche Leben in Bangkok weitgehend normal, doch die Lage könne sich rasch ändern, hieß es am Nachmittag in den Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes. Außerdem gebe es bereits erhebliche Verkehrsbehinderungen, auch auf den Strecken zu beiden Hauptstadtflughäfen.

Tui: Keine Einschränkungen für Badeurlauber

Für Badeurlauber gab es nach Angaben von Tui Deutschland zunächst keine Einschränkungen. Aus Urlaubsorten wie Phuket berichteten Touristen am Nachmittag, dass sie von den Vorgängen im Land kaum etwas mitbekämen.

Jedes Jahr verbringen Hunderttausende Deutsche ihren Urlaub in Thailand. Mehrere tausend Bundesbürger leben nach Angaben der deutschen Botschaft dauerhaft im Land.

Armeechef Prayuth begründete die Machtübernahme mit dem Willen, die Ordnung im Land wieder herzustellen. Die Sicherheit sei angesichts der Gewalt am Rande der Protestaktionen von Regierungsgegnern nicht mehr gewährleistet gewesen, sagte er in seiner Fernsehansprache. Erst am Dienstag hatte der General das Kriegsrecht verhängt. Es erlaubt bewaffneten Soldaten unter anderem, Kundgebungen zu stoppen und Menschen ohne Haftbefehl festzunehmen.

Die nächtliche Ausgangssperre gilt zwischen 22.00 und 05.00 Uhr im gesamten Land. Zugleich wurde die Verfassung des Landes außer Kraft gesetzt. Die Entscheidung gilt aber nicht für Verfassungsartikel 2, in dem festgehalten ist, dass Thailand eine Demokratie und der König das Staatsoberhaupt ist. Auf den Kanälen internationaler Fernsehsender liefen Gebete, oder ein Armeesprecher war im Bild.

Der 19. Putsch seit dem Ende der Monarchie 1932

Unklar war zunächst, wo die Anführer der beiden Protestbündnisse waren. Sie hatten an der jüngsten Verhandlungsrunde mit Prayuth teilgenommen. Nach Angaben von Augenzeugen wurden die Teilnehmer von Soldaten abgeführt und an einen Armeestützpunkt gebracht. Der zuletzt amtierende Regierungschef Niwatthamrong Boonsongpaisan hatte an den Gesprächen nicht teilgenommen. Auch sein Aufenthaltsort blieb zunächst unklar.

Nach dem Putsch räumten Regierungsgegner und -anhänger ihre Protestlager in Bangkok. Sie folgten damit einer Aufforderung von Soldaten, wie der öffentliche Sender PBS berichtete. Die Anführer der rivalisierenden Gruppen wurden dem Vernehmen nach in Gewahrsam genommen.

Es ist der 19. Putsch seit dem Ende der absoluten Monarchie 1932. Der jüngste Putsch hatte 2006 stattgefunden. Damals stürzte die Armee Regierungschef Thaksin während einer Auslandsreise. Vorausgegangen waren ebenfalls Massenproteste auf den Straßen. Allerdings brachte die Technokraten-Regierung, die das Militär für ein Jahr einsetzte, nicht die gehoffte Versöhnung: Ein Jahr nach dem Putsch wählte das Volk Thaksin-Vertraute wieder an die Macht, und die Proteste gingen nach wenigen Monaten weiter. (dpa)