Kiew. Die Friedenshoffnungen in der Ukraine haben einen weiteren Dämpfer erfahren: Spezialeinheiten der Armee haben am Donnerstag Stellungen der Separatisten im Osten der Ukraine angegriffen. Diese stellen der Übergangsregierung in Kiew ein Ultimatum, in dem sie ihrerseits mit einer Offensive drohten.
Ungeachtet der jüngsten Friedensbemühungen haben sich Regierungskräfte und Separatisten im Osten der Ukraine erneut Gefechte geliefert. Schauplätze der Kämpfe waren am Donnerstag Medienberichten zufolge die Hochburgen prorussischer Aktivisten, die Städte Slawjansk und Kramatorsk. Die bewaffneten Separatisten stellten der Kiewer Übergangsregierung ein Ultimatum. Sie drohen ihrerseits mit einer Offensive, falls die Einheiten sich nicht binnen 24 Stunden zurückziehen sollten.
In der slowakischen Hauptstadt Bratislava wollte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen mit Nachbarländern über die Lage in der Ex-Sowjetrepublik beraten. Ein Runder Tisch zur Krisenbewältigung war zuvor in Kiew ohne greifbares Ergebnis vertagt worden.
Die Lage in der Ukraine ist auch Thema eines Treffens der Außenminister aus den USA, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands in London. Dort findet eine Konferenz der sogenannten Kerngruppe der "Freunde Syriens" statt.
Separatisten reagieren mit Ultimatum
Wie Medien aus der Ukraine berichteten, nahmen Spezialeinheiten am frühen Morgen in den Vororten von Slawjansk und Kramatorsk die Stellungen prorussischer Aktivisten unter Beschuss. Dem Verteidigungsministerium in Kiew zufolge besetzten Soldaten dabei einen wichtigen Fernsehturm. Interimspräsident Alexander Turtschinow sprach von einem "bedeutenden Erfolg im Anti-Terror-Kampf".
Die bewaffneten Separatisten reagierten mit einem Ultimatum. Sollten sich die Einheiten nicht binnen 24 Stunden zurückziehen, würden die Aktivisten "in die Offensive übergehen", sagte der selbst ernannte Bürgermeister von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow. "Wir werden nicht aufgeben", betonte er.
Die prorussischen Separatisten hatten sich nach einem illegalen und international nicht anerkannten Referendum von der Ukraine losgesagt und ihre selbst ernannten "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk für unabhängig erklärt. Seit Mitte April gehen Truppen der ukrainischen Regierung in einem sogenannten "Anti-Terror-Einsatz" gegen die zum Großteil bewaffneten Kräfte vor, die in der Region Dutzende Verwaltungsgebäude besetzen.
"Runder Tisch" könnte Samstag erneut tagen
Die Generalstaatsanwaltschaft in Kiew räumte ein, die Zentralmacht habe die Kontrolle über zahlreiche Behörden in der Ostukraine verloren. Dies habe etwa dazu geführt, dass "verantwortungslose" Regierungsmitarbeiter den Separatisten Zugang zu Munitionsdepots verschafft hätten. "Wir gehen davon aus, dass die Terroristen bisher etwa 2000 Waffen erbeutet haben", sagte Sprecher Nikolai Goschowski.
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Die Teilnehmer am "Runden Tisch zur nationalen Einheit", darunter Regierungs- und Kirchenvertreter, Abgeordnete und ehemalige Staatschefs, hatten sich zuvor am Mittwoch nach etwa zweieinhalb Stunden vertagt. Weitere Gespräche könnten aber bereits am Samstag beginnen, hieß es im Parlament der früheren Sowjetrepublik. Bei den ersten Verhandlungen hatten Vertreter der Separatisten gefehlt.
Ängste vor russischer Hegemonie geweckt
Kiew befürchtet, dass Russlands Präsident Wladimir Putin Truppen in die Ost- und Südukraine einmarschieren lassen könnte - mit dem Argument, wie auf der Krim russische Bürger oder Interessen schützen zu müssen. Ein Mandat für diesen Fall hatte sich Putin vom Parlament geben lassen.
Die Entwicklungen auf der Krim und in der Ostukraine haben auch in Polen und anderen Nachbarländern mit russischstämmigen Minderheiten alte Ängste vor russischer Hegemonie geweckt. Nato-Generalsekretär Fogh Rasmussen führt am Donnerstag in der Slowakei Gespräche über die Situation in der Ukraine. Im Rahmen einer internationalen Sicherheitskonferenz wird er auch die Regierungschefs von Ungarn, Tschechien und Polen treffen. Die drei Länder sind seit März 1999 Nato-Mitglieder, die Slowakei seit Mai 2004. Polen, Ungarn und die Slowakei grenzen an die Ukraine. (dpa)