Donezk/Berlin. . Allen Warnungen zum Trotz ziehen die Separatisten in der Ostukraine ihre Volksbefragung für eine Abspaltung vom Rest des Landes durch. Kiew spricht von einer Kampagne von Kriminellen. Und Russland drohen neue Sanktionen, wenn sich die EU-Außenminister am Montag in Brüssel treffen.

Ungeachtet aller internationalen Bedenken lassen die prorussischen Separatisten in der Ostukraine seit dem Morgen über eine Abspaltung der Region vom Rest des Landes abstimmen. "Die Wahlbeteiligung ist nicht nur hoch, sondern überwältigend", sagte am Sonntag der Wahlleiter der selbst ernannten Volksrepublik Donezk, Roman Ljagin.

Aus der angrenzenden "Volksrepublik Lugansk" hieß es, bis zum Mittag hätten sich bereits zwei Drittel der Wähler am Referendum beteiligt. Internationale Beobachter sind zu der Abstimmung nicht angereist.

Die Zentralregierung in Kiew erklärte, in weiten Teilen der russisch geprägten Region, in der rund 6,5 Millionen Menschen leben, finde gar keine Abstimmung statt. Präsidialamtschef Sergej Paschinski sprach von einer Kampagne von Kriminellen. "Das ist nichts anderes als eine Informationskampagne, um Verbrechen zu vertuschen", sagte er am Sonntag in Kiew. Der "Anti-Terror-Einsatz" in Slawjansk, Kramatorsk und Krasny Liman im Gebiet Donezk gehe in die Endphase.

Fotos aus Donezk zeigen lange Schlangen vor Wahllokalen

Nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" sollen Hunderte Söldner einer US-Söldnerfirma, die im Irakkrieg schwere Gräueltaten begangen haben soll, an der Seite von Regierungstruppen in der Ostukraine im Einsatz sein. Die schwer bewaffneten Männer der Firma Academi hätten Guerillaeinsätze im Gebiet der abtrünnigen Stadt Lugansk. Die Zeitung beruft sich auf Informationen des Bundesnachrichtendienstes (BND), der sich selbst nicht zu dem Bericht äußern wollte.

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Fotos aus der Gebietshauptstadt Donezk zeigten am Sonntag lange Schlangen vor Wahllokalen. Einwohner warfen ihre Stimmzettel in durchsichtige Urnen, auf die die schwarz-blau-rote Flagge der "Volksrepublik" geklebt war. In der Separatisten-Hochburg Slawjansk und im Raum Krasny Liman soll es Berichten zufolge auch am Sonntag zu Gefechten gekommen sein. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.

Mit den Referenden wollen die moskautreuen Kräfte die Bewohner über eine Eigenständigkeit der selbst ernannten Volksrepubliken entscheiden lassen. Ein Anschluss an Russland nach dem Vorbild der ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim ist zunächst nicht geplant. Die Abstimmung soll bis 22.00 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MESZ) laufen, ein Ergebnis in der Nacht zum Montag mitgeteilt werden

Die Übergangsregierung in Kiew sowie die EU und die USA erkennen die Befragung nicht an. Der Westen setzt auf die Präsidentenwahl am 25. Mai zur Stabilisierung der angespannten Lage in der früheren Sowjetrepublik. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande nannten das Referendum unrechtmäßig. Bei einem Treffen in Stralsund appellierten sie am Samstag an die Konfliktparteien in der Ukraine, in einen "nationalen Dialog" einzutreten und freie Wahlen zu ermöglichen.

USA warfen Russland Passivität gegenüber den Separatisten vor

Linksfraktionschef Gregor Gysi fliegt noch an diesem Sonntag nach Moskau, um dort Gespräche über die Ukraine-Krise zu führen. "Ich will meinen Beitrag zur Deeskalation leisten", sagte er am Sonntagmorgen auf dem Linken-Parteitag in Berlin. Mit wem er sich in der russischen Hauptstadt treffen will, sagte Gysi nicht.

Die USA warfen Russland Passivität gegenüber den Separatisten vor. Kremlchef Wladimir Putin habe seinem Aufruf zur Verschiebung der Volksbefragung keine Taten folgen lassen, teilte das Außenministerium in Washington mit. Die Regierung in Moskau habe ihren Einfluss auf die Separatisten nicht geltend gemacht, um die Abstimmung zu verhindern. Putin hatte am Mittwoch eine Verschiebung des Referendums gefordert - dies hatten die moskautreuen Aktivisten abgelehnt.

Die Außenminister der 28 EU-Staaten wollen am Montag in Brüssel über härtere Sanktionen gegen Russland entscheiden. Diplomaten zufolge sind zusätzliche Einreiseverbote und Kontensperrungen wahrscheinlich. Eine Namensliste sei vorbereitet. Künftig sollen nicht nur Personen, sondern auch Organisationen und Unternehmen von Sanktionen getroffen werden können. Über die von der EU angedrohten tiefgreifenden Wirtschaftssanktionen werden die Außenminister aber nicht entscheiden. (dpa)