Essen. Was hat die EU in der Ukraine-Krise als Druckmittel gegen Russland in der Hand? Noch viel, sagt der Vorsitzende des EU-Außenausschusses, Elmar Brok (CDU). Denn Energie-Sanktionen wären für den Westen viel leichter zu verkraften als für Russland selbst. Wir haben nachgefragt.

Elmar Brok (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, rechnet bei einer Abkoppelung des östlichen Landesteils von der übrigen Ukraine nach dem Votum von Sonntag mit gezielten Wirtschaftssanktionen des Westens, die deutlich über die bisherigen Maßnahmen hinausgehen. „Das wird schrittweise erfolgen“, sagte er unserer Redaktion, „man hat eine Vielzahl von Möglichkeiten, beispielsweise zunächst Maßnahmen gegenüber dem Banksektor.“

Aber er glaubt auch: „Einschränkungen bei der Abnahme von Erdgas werden die letzten sein.“ Dies sei in beiderseitigem Interesse. Ein Stopp der Erdgaslieferung „ist wirklich nicht lustig, auch für uns nicht“, sagte Brok. „Aber wir würden noch eher damit fertig als die Russen. Das können wir überstehen.“ Die Europäische Union sei zwar zu 30 Prozent abhängig von den Lieferungen. Aber es gebe immer noch ein großes Netzwerk, um Elektrizität auszutauschen. „Gas und Öl können sogar bis in die Ukraine zurückgepumpt werden.“

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Ohne Energielieferungen wäre Russland pleite, sagt Brok

Dagegen hänge der russische Haushalt bis zu 70 Prozent von den Gas- und Öllieferungen nach Westen ab. „Russland ist pleite, wenn das nicht mehr stattfindet“, sagte Brok. Denn Russland habe auch „keine selbsttragende Wirtschaftsstruktur“ und in vielen Bereichen bis hin zum Bau von Lokomotiven einen großen technischen Rückstand.

Und bis China eine Alternative als Abnehmer für Gas und Öl sei, dauere es: „Es braucht zwei bis drei Jahre, bis die Leitungen gebaut sind“. Deshalb müssten Moskau wie Europa auch aus diesen Gründen „den Weg zurück zur Vernunft finden“.

War es ein Fehler der Deutschen und der Europäer, sich so stark von den russischen Energielieferungen durch Pipeline-Bauten abhängig zu machen? „Ja“, sagt der Europapolitiker. „Wir hätten frühzeitiger darauf setzen müssen, dies aufzuteilen“: Warum seien die Leitungen aus Algerien nicht fertig?, fragt er. Warum habe man nicht früher mit Aserbaidschan und der Türkei zusammengearbeitet?

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Brok ist überdies der Meinung, „dass nicht nur grüne Argumente für den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien sprechen“, sondern eben auch sicherheitspolitische. „Energiepolitik ist immer auch Sicherheitspolitik“.

Auch an US-Truppen in Polen wird gedacht

Insgesamt glaubt der Europapolitiker, dass der russische Präsident Wladimir Putin nicht an einer Beruhigung der Lage interessiert sei. „Der Auftritt von Putin auf der Krim zeigt, dass er nicht an einer Deeskalation arbeitet“. Setze der Kreml diese aggressive Szenario fort, „muss man auch überlegen, ob amerikanische Truppen in Polen stationiert werden.“

Das sei derzeit noch nicht nötig. „Aber es kann der Punkt kommen“. Die Bevölkerung in Polen und im Baltikum hätten heute dasselbe Bedrohungsgefühl wie es dies bis 1989 in West-Berlin gegeben hätte.