Berlin. . In 14.000 Fällen musste der Medizinische Dienst der Krankenkassen im vergangenen Jahr untersuchen, ob Ärzten ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. 2012 waren es 2000 weniger. Erfolg mit ihren Klagen hatten aber nur 3700 Patienten. Zudem ist die Dunkelziffer hoch.

„Stopp. Das ist das falsche Knie.“ Mitten in der Operation merkt der Chirurg, dass er dem jungen Mann auf dem OP-Tisch gerade das gesunde Knie aufgeschnitten hat. Eine Verwechslung mit Folgen. Zwar operiert das Team noch am selben Tag das kaputte Knie, doch der Patient klagt nach dem Eingriff über massive Schmerzen – jetzt aber im ehemals gesunden Knie. „Irren ist menschlich“, sagt Astrid Zobel vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen, „aber gerade solche Fälle sind vermeidbar.“

Es gibt Sicherheitsstandards, es gibt Checklisten für Operationen – sie werden nur nicht immer sorgsam genug befolgt. Im Fall der 70-jährigen Herzpatientin, die mit einem Klappenfehler eingeliefert wurde, führte ärztliche Nachlässigkeit zu einem Hirnschaden: Die ältere Dame nahm seit längerem ein Mittel gegen Depressionen, dass auf die Schilddrüsenfunktion einwirken kann, doch dieses wichtige Detail ging in der Vorbereitung auf die Herzoperation unter.

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Als die 70-Jährige nach dem Eingriff aufwachte, wirkte sie orientierungslos. Postoperative Verwirrtheit? Kann vorkommen, hieß es. Erst nach Tagen, die Patientin war inzwischen ins Koma gefallen, wurden die Schilddrüsenwerte überprüft – die 70-Jährige litt mittlerweile an einer schweren Unterfunktion, ihr Hirn war bereits geschädigt.

Hinter jedem Einzelfall steht ein vermeidbares Schickal

In rund 14.500 Fällen wandten sich Patienten oder deren Angehörige im vergangenen Jahr wegen des Verdachts auf Behandlungsfehler an den Medizinischen Dienst der Gesetzlichen Krankenkassen (MDK). Das waren gut 2000 mehr als im Vorjahr.

Doch obwohl mehr Verdachtsfälle gemeldet wurden, stieg die Zahl der bestätigten Behandlungsfehler nicht an – im Gegenteil: sie sank sogar leicht gegenüber dem Vorjahr. Für das Gesundheitssystem sei das „eine gute Nachricht“, so Stefan Gronemeyer, leitender Arzt beim MDK. 2013 wurden von den Gutachtern knapp 3700 Fehler bestätigt, im Jahr zuvor waren es noch 3900. Dennoch: Hinter jedem Einzelfall stehe ein oft vermeidbares Schicksal.

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Zwei von drei Vorwürfen bezogen sich auf Krankenhausbehandlungen, der Rest auf niedergelassene Ärzte. Jeder vierte Fall wurde von den Gutachtern bestätigt. Die Zahlen sind allerdings nur Richtwerte, sie erfassen bei weitem nicht sämtliche Behandlungsfehler im deutschen Gesundheitssystem: Der MDK rechnet mit einer hohen Dunkelziffer, da viele Patienten Fehler nicht erkennen oder nicht melden.

Laut AOK muss jeder 100. Klinikpatient mit Behandlungsfehlern rechnen

Hinzu kommt, dass sich Patienten, die Behandlungsfehler vermuten, auch an andere Stellen wenden können – Tausende Patienten beschweren sich etwa jedes Jahr bei den Ärztekammern. Anfang des Jahres hatte die AOK in einem Bericht gewarnt, dass jeder 100. Klinikpatient mit Behandlungsfehlern rechnen müsse.

2013 gab es am häufigsten Ärger mit der neuen Hüfte, dem künstlichen Kniegelenk oder den dritten Zähnen: Die meisten Vorwürfe, mit denen sich die MDK-Gutachter im letzten Jahr befassen mussten, betrafen Orthopädie und Unfallchirurgie, gefolgt von allgemeiner Chirurgie, Zahnmedizin, Innerer Medizin, Gynäkologie und Pflege. Bei Pflegebedürftigen wurden demnach vor allem Druckgeschwüre (Dekubitus) falsch behandelt.

Fehler oder Komplikation?

Die Experten des MDK warnen jedoch davor, einzelne Fachgebiete an den Pranger zu stellen. Operationen etwa sind nicht grundsätzlich fehleranfälliger als medikamentöse Eingriffe. Doch die Folgen ärztlicher Fehler sind hier für den Patienten vermeintlich leichter zu erkennen: Kann der Zimmernachbar nach der Kniegelenks-OP schnell wieder laufen, während das eigene Knie auch nach wochenlangem Training noch schmerzt, stellt sich eben die Frage: „Ist da etwas schief gelaufen?“

Möglich ist das – doch es muss kein Ärztefehler dahinter stecken. In Einzelfällen kann es auch dann zu Komplikationen kommen, wenn der Eingriff medizinisch korrekt, sauber und sorgfältig war.