Mainz. . Eine Medizinstudentin verabreicht im Juni 2011 einer frisch operierten Patientin während der Nachtwache ein Narkosemittel. Seither liegt die zweifache Mutter im Koma. Klinik, Arzt und Studentin müssen für einen fatalen Fehler haften, entschied nun das Gericht.

Fatales Versehen in einer Schönheitsklinik: Eine Medizinstudentin verabreicht im Juni 2011 einer frisch operierten Patientin während der Nachtwache ein Narkosemittel. Seither liegt die zweifache Mutter im Koma. Fast drei Jahre später hatten jetzt Richter über das folgenschwere Versehen zu entscheiden. Der Ehemann der Patientin hatte Schadenersatz von mehr als 800 000 Euro für die Pflege seiner Frau verlangt.

Die Klinik, der operierende Arzt und die Medizinstudentin müssen haften, entscheidet das Gericht am Dienstag. In welcher Höhe soll nach einer weiteren Beweisaufnahme festgelegt werden.

Nicht für die Nachtwache geeignet

Der Fall sei besonders tragisch, weil kein klassischer Behandlungsfehler vorliege, sagt Rechtsanwältin Michaela Bürgle. „Es ist nicht so, dass einem Arzt das Messer ausgerutscht ist.“ Vielmehr habe eine Verkettung von Fehlern zu der falschen Nachbehandlung und der Schädigung der Patientin geführt.

Der Richter sagte in seiner Urteilsbegründung, die Organisation in der Klinik habe dazu geführt, dass medizinische Standards nicht eingehalten werden konnten und die Patientin geschädigt wurde. Er teilte die Einschätzung der Sachverständigen. Diese hatten zuvor kritisiert, dass die Betreuung einer frisch operierten Patientin nicht einer Studentin alleine hätte anvertraut werden dürfen.

Der operierende Arzt und Geschäftsführer der Klinik hätte erkennen müssen, dass die Medizinstudentin nicht für die Nachtwache geeignet war. Sie habe eine Reihe von „fatalen Fehlentscheidungen“ getroffen und der Patientin eine Infusionsflasche verabreicht, ohne den Inhalt zu kennen. Dafür müsse sie die Verantwortung tragen. Dagegen konnte der Anästhesist nach Ansicht des Gerichts nicht davon ausgehen, dass die Nachtwache kein medizinisches Fachpersonal war. Er hafte nicht für den Vorfall. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Gesamtzahl der Behandlungsfehler an deutschen Kliniken lässt sich laut Bundesgesundheitsministerium nur schätzen – die Annahmen reichen von 40 000 bis 170 000 jährlich. Vermuten Patienten eine fehlerhafte Behandlung, können sie sich an Schlichtungsstellen der Landesärztekammern wenden. Dort untersuchen Gutachter den Fall.

Patient muss Vorwürfe beweisen

Vor Gericht hänge der Erfolg von Klagen wegen Behandlungsfehlern generell davon ab, ob der Patient seine Vorwürfe beweisen kann. Das sei nicht immer einfach, sagt Michaela Bürgle, die Anwältin des Ehemanns im Mainzer Fall.

Beim Verdacht auf einen Behandlungsfehler wenden sich gesetzlich Versicherte am besten an ihre Krankenkasse, rät Claudia Schlund von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD): „Die ist gesetzlich dazu verpflichtet, Sie mit einem Gutachten kostenfrei zu versorgen.“ Privatpatienten haben dagegen keinen Anspruch auf ein medizinisches Gutachten, das dazu dient, einen Verdacht zu klären. Schlund rät, die Versicherung trotzdem zu informieren und um Hilfe zu bitten. Weitere Anlaufstellen sind die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Landesärztekammern. (dpa)