Kairo/Damaskus. . Bashar al-Assad gibt sich gut gelaunt. Obwohl der Bürgerkrieg bereits 150.000 Menschenleben gekostet hat, obwohl 600.000 Menschen verletzt sind und die Infrastruktur des Landes weitestgehend zerstört ist, will sich der Diktator am 3. Juni für eine weitere siebenjährige Amtszeit wiederwählen lassen.

So gut gelaunt hat sich Bashar al-Assad lange nicht mehr gegeben. Zum Osterfest ­tourte er durch das halb zerstörte christliche Pilgerdorf Maaloula, das seine Truppen gerade zurückerobert hatten, ließ sich von Soldaten feiern und rief den Bewohnern zu, man werde Syrien zusammen wieder aufbauen. Der starke Mann aus Damaskus fühlt sich auf der Siegerstraße. Seine Truppen sind an vielen Fronten auf dem Vormarsch, auch wenn die Rebellen weiterhin beträchtliche Land­striche im Norden kontrollieren.

Und so will sich Assad nun am 3. Juni auch für eine dritte, sieben­jährige Amtszeit wiederwählen lassen, ein Schachzug, den die Vereinten Nationen, die USA und die Europäische Union scharf kritisieren. Das Vorhaben werde den politischen Prozess beschädigen und die Aussichten für eine politische Lösung des Bürgerkriegs erschweren, erklärten UN-General­sekretär Ban Ki-Moon und sein ­Syrienvermittler Lakhdar Brahimi.

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Assads Pläne seien unvereinbar mit dem Geist des Genfer Kommuniqués, das eine nationale Übergangsregierung aus Vertretern von Regime und Opposition vorsieht. Washington und Brüssel sehen in Assads Plan eine „Parodie der Demokratie“, Syriens Opposition eine Farce.

Erneut Chlorgas gegen ein Dorf

Doch der Diktator setzt auf Durchmarsch. Man habe einen Wendepunkt erreicht – militärisch und im Kampf gegen den Terror, sagte er. Bis Ende des Jahres sei „die aktive Phase“ auf dem Schlachtfeld vorbei, versicherte er Anfang April einer russischen Delegation. Die komplette Eroberung der Rebellenhochburg Homs scheint nur noch eine Frage der Zeit. Aus Aleppo melden Beobachter die heftigsten Angriffe von Regierungstruppen seit fast zwei Jahren.

Systematisch und ohne Gegenwehr bombardiert die Luftwaffe im ganzen Land Wohnviertel mit den berüchtigten Fassbomben. ­Nach westlichen Informationen gab es vorletzte Woche erstmals seit August 2013 wieder Angriffe mit Chemikalien auf die Zivilbevölkerung. Kampfhubschrauber warfen über dem Dorf Kafr Zita bei Hama offenbar mit Chlorgas gefüllte Bomben ab. Die speziellen Chemiewaffenbestände Syriens sind nach Angaben der „Organisation für das Verbot chemischer Waffen“ (OPCW) mittlerweile zu 65 Prozent außer Landes gebracht. Ihre Verschiffung soll bis Ende Juni abgeschlossen sein.

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Aber auch international, so kalkuliert das Regime, lässt der Druck nach. Europa und die USA sind durch die Krise in der Ukraine stark absorbiert. US-Präsident Obama verweigert den Rebellen nach wie vor die Lieferung von Boden-Luft-Raketen, von denen sie sich entscheidende Vorteile im Bürgerkrieg erhoffen.

Wirtschaft auf Jahrzehnte zerstört

Allerdings sind erste Videos von Kämpfern mit Panzer brechenden US-Raketen aufgetaucht – offenbar ein Pilotprojekt zur Bewaffnung, mit dem die CIA prüfen will, ob die moderaten Assad-Gegner solch brisante Waffen unter ihrer Kontrolle behalten. Denn die Gefechte zwischen moderaten und radikalen Rebellengruppen sind in Teilen des Landes längst heftiger als jene gegen die Einheiten des Regimes.

150 000 Menschen in Syrien ­haben bisher ihr Leben verloren, über 600 000 sind verletzt. Beträcht­liche Teile der Infrastruktur im Land sind verwüstet, fast die Hälfte der Bevölkerung ist obdachlos oder auf der Flucht. Der syrische Wirtschaftsexperte Jihad ­Yazigi hat die Kriegswirtschaft in einer Studie für den „European Council on Foreign Relations“ analysiert. Er spricht von einer Zerstörung, vergleichbar mit dem Niveau des Zweiten Weltkriegs. Selbst wenn der Konflikt auf der Stelle gestoppt würde und die Wirtschaft jedes Jahr um fünf Prozent wüchse, „würde Syriens Wirtschaft dreißig Jahre brauchen, um wieder das Niveau von 2010 zu erreichen“.